Die Mutter hatte aus dem Augenwinkel gesehen, wie Fei sich in das Bett zu ihrem Sohn begeben hatte. Eigentlich hätte sie das gern unterbunden, vor allem, weil sie der Ansicht war, dass Haru viel Ruhe brauchte. Aber sie ließ es. Sie durfte unter keinen Umständen ihr Gesicht verlieren.

Zu hören, dass ihr Sohn im Kodama Haus willkommen war, dort sogar leben durfte ließ sie innerlich zusammen zucken. Natürlich war sie froh darüber, dass ihr Sohn offensichtlich akzeptiert wurde, aber das würde ihr Mann doch mit Sicherheit nicht dulden, oder? Dennoch, sie bedankte sich mit einer sachten Verneigung.

„Ich bin sehr froh, dass Sie, angesichts der Umstände, meinem Sohn auch Obdach Gewehren würden. Aber das wird nicht nötig sein. Selbstverständlich wird Haru wieder zu Hause sein, sobald er wohl auf ist.“

Haru horchte auf, Hikaru ging aber vorsichtshalber schon einmal dazwischen, bevor das hier vielleicht doch noch eskalieren könnte.

„Auch von meiner Seite vielen Dank, Herr Kodama! Feilong ist ein sehr freundlicher Mann und ich bin froh, dass mein Bruder und er sich so gut verstehen. Wer weiss… vielleicht können wir auch irgendwann das Kriegsbeil begraben. Alle würden davon profitieren, nicht wahr?“

„Hikaru…“, gab die Mutter dann leise, aber warnend von sich.

„Nun denn, ich denke, wir sollten Haru etwas Ruhe gönnen. Mutter, lass uns nach Hause fahren, wir können später wieder kommen!“

„A-aber…“

Er drehte sich noch zu seinem Bruder um, wünschte ihm gute Besserung und zwinkerte den beiden noch frech zu.

„Dürfen wir Sie vielleicht ein Stück mitnehmen, Herr Kodama?“

Fei blickte zwischen den sprechenden hin und her. Er war unendlich dankbar dafür, dass sein Vater ihre Liebe akzeptierte und auch Haru aufnehmen würde, sollte das nötig sein. Er würde die Liebe seines Sohnes mit allem beschützen, was er zur Verfügung hatte.

Eigentlich wollte Feis Vater sein Bedenken diesbezüglich ausdrücken und sagen, dass Haru am Ende der jenige sein sollte, der entschied wo genau er nun hin wollte, aber Harus Bruder schaltete sich ein.

Herr Kodama zog eine Augenbraue hoch, als Hikaru meinte, dass man vielleicht irgendwann das Kriegsbeil begraben könnte. Er konnte Harus Vater nicht ausstehen. Der würde doch niemals einem friedlichen Umgang zustimmen. In welcher Welt lebte dieser junge Mann, dass er glaubte der "Krieg" zwischen ihren Familien könnte einfach so enden? Die Mutter schien es nicht anders zu sehen.

Feis Vater winkte ab. "Nein, vielen Dank für das freundliche Angebot, aber mein Auto steht vor der Tür." lächelte er höflich, ehe er sich Fei und Haru zuwand. "Ich werde auch mal langsam gehen, wenn etwas ist, ruft mich an, in Ordnung?"

Fei nickte, bedankte sich und verabschiedete sich schließlich höflich von allen. Als dann endlich die Tür zu ging und sie allein waren, sah er Haru wieder an. " Sag mir bescheid, wenn du allein sein möchtest, ja?" sprach er ruhig, hauchte ihm dann noch einen Kuss auf die Wange.

Die Spannung war eindeutig zu spüren, auch wenn alle höfliche Floskeln austauschten, Haru fühlte sich überhaupt nicht wohl bei dem Geplänkel. Er war sich auch sicher, dass das alles noch ein Nachspiel haben könnte.

Dennoch, mit Fei an seiner Seite, war er sich sicher, allem trotzen zu können.

„Nein, bitte bleib! Verlass mich nicht!“, meinte er dann sanft nach dem Kuss und hielt die Hand des anderen.

„Mit ist egal, was die anderen denken... ich meine, ich freue mich, dass dein Vater meint, ich kann zu euch kommen. Aber viel lieber.... möchte ich komplett unabhängig sein und einfach nur.... einfach nur mein Leben mit dir verbringen, Feilong!“

Er zog ihn sanft in einen weiteren Kuss. Er liebte diesen Mann wirklich. Das wurde ihm von Minute zu Minute immer bewusster.

Sollten sich ihre Familien doch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Hauptsache, sie konnten beisammen sein.

"Ich bleibe so lange, wie du mich ertragen kannst." grinste Fei frech, strich dann mit dem Daumen über Harus, als dieser seine Hand hielt.

"Haru..." entwisch es ihm beinahe lautlos, es stiegen sogar Tränen in seine Augen.
"Das möchte ich auch.... ganz unbeschwert und rundum glücklich an deiner Seite...das wäre ein Traum." flüsterte der langhaarige, nachdem er einen weiteren Kuss erwidert hatte.

"ich liebe dich, Haru... und egal was ich tun muss, ich sorge dafür, dass du frei bist, ich kümmere mich um alles, was sein muss, damit wir ein glückliches Leben zusammen führen können und ich bin mir sicher, dass mein Vater auch alles dafür tun will, damit ich glücklich bin und wenn das bedeutet, dass du Teil davon bist, dann wird er auch für dich alles tun, damit du mich glücklich machen kannst."
Wieder küsste er ihn.

"Ich bleibe an deiner Seite, egal wie. "
Fei strich mit der freien Hand ein paar Strähnen zur Seite, um Harus wunderbares Gesicht noch etwas besser anschauen zu können.
"Wir werden zusammen leben, Nacht für Nacht nebeneinander einschlafen und und jeder Zeit lieben können. Dafür sorge ich, versprochen!"

Ein tiefes Gefühl der Freude breitete sich in Haru aus. Es war, wie die Ringe in einem See, die sich immer weiter ausbreiteten, nachdem man einen flachen Kieselstein hinein geworfen hatte. Es fühlte sich unglaublich gut an und er konnte nicht anders, als einfach nur zu lächeln.

„Wie kannst du nur so ein wundervoller Mensch sein?“, fragte er strahlend und legte seine Hand an Feilongs Wange.

„Und ich verspreche dir, dass auch ich alles dafür geben werde, dass wir glücklich sein können!“




Nach fünf weiteren Tagen wurde Haru entlassen. Er war zwar noch schwach, aber nach eigenem Drängen, stimmten die Ärzte letzten Endes zu. Allerdings hatte die Sache einen Haken.

Der Chefarzt war befreundet mit den Watanabes und hatte wohl die Anordnung bekommen, dass er Haru nur dann gehen lassen konnte, wenn ein Familienmitglied ihn abholen würde.

Haru wollte schon einen Aufstand veranstalten…. nun, er wollte nicht, er tat es! Er hatte sein Zimmer regelrecht verwüstet. Es war so weit gegangen, dass man ihn medikamentös ruhigstellte.

Eine gute Stunde später war sein Bruder dann im Krankenhaus angekommen und wollte ihn abholen. Er traf dann nichtsahnend auf Feilong.

Feilong war natürlich täglich bei seinem Liebsten. Er verbrachte so viel Zeit wie es nur ging bei ihm. Am liebsten wäre er ihm keine einzige Sekunde von der Seite gewichen. Sein Vater hatte auch ab und an nochmal nach Haru gesehen, wollte er doch auch wissen, dass es ihm gut ging.

Heute war er natürlich auch wieder bei seinem Liebsten, doch als er das Zimmer betrat, bekam er einen regelrechten Schock! Alles war verwüstet und Haru schlief?! Sofort zog er die Augenbrauen zusammen, verließ das Zimmer, um einen Mitarbeiter zu fragen, was das alles soll, doch stapfte er quasi blind vor Wut den Flur entlang, bis er um die Ecke bog und in den Bruder seines Schatzes lief. Er prallte regelrecht von dessen Brust ab, hob dann den Kopf und sah den Watanabesprössling mit großen Augen an.

"Ah! E-entschuldige...ich...." Fei atmete kurz tief durch. "Weisst du, was die mit Haru gemacht haben?!" fragte er schließlich mit deutlich festerer Stimme. Er wusste ja nicht, ob er vielleicht nach dem Bruder hergekommen war und dieser sich nur einen Kaffee oder sonst was geholt hatte und nun auf dem Weg zurück zu Haru war.

Hikaru war noch mitten in einem Meeting gewesen, welches absolutes Verhandlungsgeschick verlangt hatte. Die Nachricht, die man ihm aber mitteilte, brachte ihn komplett aus dem Konzept. Sein jüngerer Bruder sei im Krankenhaus ausgerastet und man müsse ihn unverzüglich abholen kommen.

Natürlich hatte er nicht seinem Vater oder seiner Mutter sagen können, dass sie sich darum kümmern sollten, also versuchte er das Meeting so schnell wie möglich über die Bühne zu kriegen. Völlig unsicher, ob das Ergebnis ein positives war oder nicht, musste er sich dann aber auch schon verabschieden.

Er hatte seinen tadelnden Vater regelrecht im Ohr, während er aufbrach. Er hatte auch auf einen Chauffeur verzichtet, da er nicht wollte, dass dieser vielleicht etwas an seine Eltern weiter tragen konnte, denn wer weiss, was Haru wieder angestellt hatte… Dieser Typ brachte einfach immer nichts als Ärger!

Er eilte die Gänge im Krankenhaus entlang und wollte Haru einfach nur abholen und wieder von hier verschwinden. Noch in seinen Gedanken verloren prallte er plötzlich mit dem schönen Liebhaber seines Bruders zusammen.

„Oh… Alles… in Ordnung?“

Der Mann sah einfach aus wie eine Porzellanpuppe und Hikaru hoffte, nichts kaputt gemacht zu haben.

Da folgte aber auch schon die Frage Feilongs.

Kurz atmete Hikaru aus.

„Ja, soweit ich weiss, ist er ausgerastet, weil…. naja, weil ich ihn abholen soll! Und weil er sich nicht beruhigen wollte, hat man ihn wohl etwas zur Beruhigung gegeben.“

Er räusperte sich, sah Fei etwas mitleidig an.

„Du, hör mal Feilong… also… Ich habe es ein bisschen eilig. Ich würde Haru jetzt einfach abholen und dann könnt ihr euch ja nachher unterhalten, wenn er sich etwas ausgeruht hat, okay?!“

Er machte einige Schritte in Richtung des Krankenzimmers. Ihm war schon klar, dass Feilong das sicherlich nicht einfach so auf sich sitzen lassen würde. Dennoch hatte er auch keine andere Wahl.

Feilong nickte, als der Bruder seines Schatzes fragte, ob alles in Ordnung sei. Es war ihm wirklich unngenehm, dass er so blind in ihn reingelaufen war, aber das wollte er sich auch nicht zu sehr anmerken lassen.

Der langhaarige sah Hikaru an. Die hatten ihm einfach Beruhigungsmittel gegeben, weil er nicht mit seinem Bruder mit wollte?!
Er konnte das nicht fassen! Haru war ein erwachsener Mann und konnte ja wohl selbst entscheiden mit wem er mit wollte!!

Noch nicht ganz aus seinem Entsetzen zurückgekehrt sah Fei zu, wie Hikaru in Richtung Zimmer lief.

"Warte....was?! Vergiss es! Haru will nicht mit dir mit, also werd ich das zu verhindern wissen!"

Er hielt Hikaru am Arm, zog ihn mit aller Kraft zurück. "Du lässt das schön bleiben! Harus Zustand auszunutzen, um ihn gegen seinen Willen zurück zu euch zu holen ist ja wohl völlig daneben! Ich dachte du bist einer von den Guten, nicht so wie euer Vater!"

Die Worte sprudelten nur so aus Feilong heraus. Er würde sicher nicht dumm daneben stehen und zusehen, wie sein mit Beruhigungsmitteln vollgepumpter Schatz einfach gegen seinen Willen mitgenommen werden würde, auch wenn es dessen Bruder war, der diese Aktion durchführen wollte.

"Hikaru, bitte! Du weisst, dass Haru alt genug ist um selbst zu entscheiden, zu wem er will und offensichtlich möchte er nicht zu euch zurück....also lass ihm doch seine Entscheidung!"

„Eh… lass mich bitte los!“, gab Hikaru von sich, hatte er doch nicht damit gerechnet, dass er so hart angepackt werden würde.

Er hörte die Worte, die ihm regelrecht ins Gesicht peitschten.

Natürlich wusste er, dass Feilong recht hatte. Kurz sah er zu Boden, dann richtete er aber seinen Blick wieder direkt in die Augen des anderen.

Sanft sprach er dann:

„Hör mal Feilong, ich verstehe, wie du dich im Moment fühlen magst und auch, wie das für dich aussieht. Aber mir sind die Hände auch gebunden. Ich MUSS meinen kleinen Bruder jetzt mit zu uns nach Hause nehmen. Auch wenn das gegen seinen Willen ist. Du weisst, wie das in unserer Welt aussieht. Wenn ich Haru jetzt nicht mitnehme, werden wir beide aus der Familie verstoßen. Nicht nur er sondern auch ich und das wäre ein Skandal, von dem sich unsere Familie niemals erholen würde!“

Er atmete tief durch.

„Ich gebe dir aber mein Wort, dass ich dafür Sorge tragen werde, dass ihr euch wieder sehen werdet, dann vielleicht sogar auch für immer… aber HEUTE ist nicht dieser Tag. Heute, werde ich meinen Bruder mitnehmen. Ich bitte dich also inständig, dich nicht in den Weg zu stellen.“

Er ging einige Schritte weiter, öffnete dann die Tür zu Harus Zimmer.

Innerlich schrak er über das Bild auf, dass ich ihm darbot. Es tat ihm regelrecht weh zu sehen, wie sehr sich Haru wohl gewehrt haben musste und das in seinem Zustand!

Er trat ans Bett, blickte sich um und holte den Rollstuhl aus der Ecke.

Feilong ließ Hikaru auf dessen Bitte los, immerhin war er kein Arsch, aber er würde ihn dennoch nicht einfach machen lassen, was er wollte.

Er hörte aufmerksam zu, zog dabei jedoch die Augenbrauen zusammen. Fei konnte wirklich, wirklich stur sein, aber er wollte auch nicht, dass beide dieses Schicksal ereilte. Hikaru hatte es nicht verdient aus der Familie ausgestoßen zu werden, er war ein guter Junge und Haru...nun, verdient hatte er das nicht, aber für Haru wäre es besser. Er wäre dann frei und könnte bei Feilong sein.

"Dir ist bewusst, dass das Image deiner Familie mir nichts bedeutet, oder?" fragte er dennoch mit fester Stimme. "Harus Wohl ist meine oberste Prioroität, nicht irgendwelche dummen Skandale, die deine Familie betreffen!"

Unzufrieden starrte er Hikaru an, als dieser ihm sein Wort gab. Wer aus dieser Familie hielt schon seine Versprechen? Keiner außer Haru! Da war Fei sich ganz sicher!

Der langhaarige hatte sich schon gefragt, ob Hikaru die Verwüstung bereits gesehen hatte, aber so wie er aussah hatte er das nicht.

"Das ist schön, dass du mir dein Wort geben willst, aber sobald dein Vater etwas anderes von dir verlangt, wirst du dem Folge leisten und dein Wort mir gegenüber brechen, da bin ich mir ziemlich sicher." Feis Stimme war ruhiger als zuvor. Er wollte Haru nicht aufwecken und vor allem nicht stressen.

"Sieh dich um...Das Letzte was Haru will ist zurück zu seinem Vater zu müssen. Er hat randaliert, um dem zu entkommen und nun....nun ist er wehrlos und du willst ihn auf Wunsch eures Vaters gegen seinen Willen in diesem Zustand einfach mitnehmen."

Vorsichtig setzte er sich aufs Bett, strich zärtlich seinem Schatz durchs Haar.
"Ich verstehe, dass es eine komplizierte Situation ist, aber kannst du nicht einfach nochmal mit deinem Dad reden? Ihn bitten Haru ein paar Tage Ruhe zu geben, die er bei mir bekommt? Ich kümmere mich gut um ihn und sorge dafür, dass er auch zu euch kommt, sobald er wieder fit genug ist...aber in diesem Zustand möchte ich ihn einfach nicht diesem Stress aussetzen..."

„Mir ist durchaus bewusst, dass dir meine Familie egal ist! Und genau das ist das Problem, was unsere Familien seit über 5 Generationen verfeindet, Feilong!“, entgegnete Hikaru nun ernster.

Er rückte den Rollstuhl näher.

„Ich verstehe, dass dir das Wohl meines Bruders am Herzen liegt! Aber du darfst mir durchaus glauben, dass es mir genauso geht! Ich wüsste nicht, wann ich dir jemals einen Grund gegeben hätte, an meinen Worten zu zweifeln! Du kennst mich nicht, Feilong! Eine derartige Behauptung aufzustellen, steht dir nicht zu!“

Er sah sich um, ja, das Zimmer sah furchtbar aus. Es brach ihm auch fast das Herz, es so zu sehen und vor allem seinen jüngeren Bruder so zu sehen.

Hikaru sah zu, wie Fei Haru streichelte und hörte ihm auch zu, dennoch atmete er dann schwer aus.

„Ich werde meinen Bruder jetzt mitnehmen. Du kannst ihn sehen sobald es ihm etwas besser geht! Mach es uns allen bitte nicht schwerer, als es ohnehin schon ist. Ich erwarte nicht, dass du das jetzt verstehst, Feilong, aber ich erwarte, dass du es respektierst. Denn wenn ich Haru jetzt nicht nach Hause bringe, ist alles, wofür ich stehe und zukünftig stehen möchte, hinüber! Du, Haru und ich…. wir sind wahrscheinlich die einzigen, die ernsthaft daran interessiert sind, dass dieser Hass zwischen unseren Familien ein Ende findet! Wir müssen dies aber strategisch erledigen und nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen und damit noch mehr Schaden anrichten.“

Er sah ihn fest an.

"Feilong, ich habe Haru noch niemals so glücklich gesehen, wie mit dir! Das wünsche ich mir für meinen Bruder! Aber er wird es nicht genießen können, wenn die Dinge nicht auch auf seiner Seite geklärt sind, verstehst du?"

„Also, hilfst du mir, ihn in den Rollstuhl zu setzen?“

"Wären unsere Familien uns gegenseitig generell egal, dann wäre auch kein Krieg!" zischte Feilong beinahe schon.

Er nahm jedes Wort von Hiraku auf, beinahe wie ein Schwamm! Aber....dennoch fiel es ihm schwer alles zu glauben. "Aber dir steht es zu gegen den Willen deines Bruders über ihn zu entscheiden?" er blieb ruhig, ruhiger als er selber erwartet hätte. Er war sich sicher, dass Hikaru sein Wort nicht mehr halten können würde, wenn der Vater das Gegenteil von ihm verlangte. Andernfalls würde er doch sonst auch nicht seinen Bruder zu sich holen unter diesen Umständen.

"Ich kann ihn sehen, wenn es ihm besser geht? Woher soll ich wissen, dass euer Vater nicht dafür sorgen wird, dass es ihm nicht mehr besser geht? Wie soll ich mir sicher sein, dass das jetzt nicht eine Ewigkeit dauert, bis Haru mich überhaupt sehen darf?!" Feis Stimme zitterte nun und es war ganz deutlich, was ihm Angst machte. Er wollte Haru nicht diesem Monster von Vater überlassen und er wollte auch nicht riskieren, dass er ihn vielleicht heute, in diesem schrecklichen Zustand, das letzte Mal sehen würde.

Hikarus Worte trafen ihn wirklich. Sein Herz schmerzte und in seinen Augen sammelten sich Tränen. "Dann lass mich mit euch kommen!"
Er musste einfach sicher gehen, dass es Haru gut ging und der Vater keine Scheiße plante!

„Ich sagte ja, dass du es nicht verstehen musst….“

Hikaru gefiel die Hartnäckigkeit des anderen nicht sonderlich. Ja, es war schön, dass er sich so um seinen Bruder sorgte und wollte, dass es ihm gut ging. Aber warum zweifelte er dauernd an seinem Wort??

Dann überschlug sich Feilongs Stimme langsam und er wurde emotional. Na toll! Das hatte ja gerade noch gefehlt! Hikaru war nicht aus Stahl! Er war sogar wesentlich emphatischer als sein allzeit cooler Bruder, der auf alles und jeden schiss…. ausgenommen von Feilong… wie sollte er jetzt noch Stärke beweisen?

Er wandte sich ihm komplett zu.

„Hör mal Feilong, mir geht es hier nicht darum, dass ich euch von einander trennen will oder dass ich meinen Bruder unserem Vater aussetzen will. Haru ist ohnehin wie ein Wirbelsturm. Fünf Minuten, nachdem er feststellt, wo er sich befindet, wird er sowieso versuchen auszureißen! Ich werde ihn dann auch nicht aufhalten, denn das ist zwecklos! Aber ich MUSS ihn jetzt mit nach Hause nehmen und wir müssen unsere Familiensachen klären. Das hat nichts mit dir zu tun. Auch, wenn DU dich besser fühlen würdest, mitzukommen, würdest du es ALLEN ANDEREN schwer machen! Ich bitte dich also, deinen Egoismus - und das ist in diesem Moment leider nichts anderes - zurück zu stellen! FÜR Haru! Von mir aus zweifle an meiner Ehrlichkeit, wie du willst! Aber zweifle bitte nicht an meinem Bruder. Denn wenn er bei dir sein will, dann wird er auch einen Weg finden! Nur kann das nicht heute sein!“

Er wandte sich nun wieder dem Rollstuhl zu und platzierte ihn so, dass man Haru leicht hineinsetzen konnte.

„Ich bringe ihn jetzt nach Hause. Du kannst dich entscheiden ob Du mir hilfst oder ob du mir wenigstens nicht im Weg stehst.“

Feilong passte diese ganze Situation überhaupt nicht. Seine Gefühle waren völlig durcheinander und er wusste nicht mehr ob er weinen, schreien oder lachen sollte. Natürlich misstraute er Hikaru! Er wollte Haru immerhin quasi dessen Vater ausliefern! Wer wusste, was dieser Psychopath mit Haru machen würde?! Der würde doch niemals zulassen, dass Feilong Haru noch einmal sehen würde, geschweige denn, dass Haru zu ihnen kommen und dort bleiben würde!

Egoismus....war er egoistisch? Obwohl er für Haru einstand? Haru wollte nicht dort hin, wieso also sollte er zulassen, dass Hikaru ihn 'entführte' während Haru nicht im Stande war sich zu wehren?!

Feilong zog die Augenbrauen zusammen.

"Das hat nicht das geringste mit Egoismus zu tun! Ich werde nicht zusehen, wie du meinen Freund verschleppst! Haru WILL nicht zu euch und jetzt ist er in einem Zustand, indem er garnichts dagegen tun kann, wenn du ihn einfach einsammelst und entführst!"

Die stimme des jüngeren war eindeutig instabil. Fei war kurz davor komplett in Tränen auszubrechen und wenn man genau hinsah, dann zitterten auch seine Hände. Er war überfordert mit der Situation. Er verstand, was Hikaru meinte, aber egoistisch war Harus Vater und auch Hikaru, der das doch sowieos nur tat, weil er sonst auch verstoßen werden würde. Was war das überhaupt für ein dummer Vater, der seine Kinder verstoßen würde, sobald sie ihm nicht mehr in den Kram passten?! Mafiosi hin oder her, ein Vater sollte sein Kind lieben und Fei wusste, dass sein eigener Vater niemals etwas tun würde, was Fei schadete.

"Egal für wie egoistisch du mich halten magst und wie sehr es dich aufregt, dass ich nicht zu 100% auf deine Worte vertraue....ich werde dich nicht einfach mit einem halb bewusstlosen Haru hier rausspazieren lassen, nur weil DU und dein VATER es so willst! Ein Vater, der sein Kind oder sogar seine Kinder zu Dingen zwingt ist ein beschissener Vater! Was willst du überhaupt in einer Familie wo du für jeden noch so kleinen Fehltritt sofort verstoßen wirst?! Ein Vater ist kein Vater wenn er sich nur aufspielt wie dein verfickter Boss und dich rumkommandiert und gegen den Willen seiner Kinder handelt!" Feis Stimme zitterte, ihm liefen nun doch Tränen über die Wangen. "Harus Wille ist es, NICHT zu euch zu kommen und diesen Wunsch möchte ich ihm erfüllen, auch wenn das heißt, dass ich mich dir dafür in den Weg stellen muss und es noch mehr Ärger mit der Familie gibt! Ich tue das nicht für mich - weil ich ja so egoistisch bin- sondern für Haru! Nicht umsonst verwüstet er das Zimmer und sagt immer wieder, dass ich der jenige bin, an dessen Seite er sein will! Du wirst dieses Zimmer nicht mit Haru verlassen!"

Hikaru warf den Kopf in den Nacken und atmete sichtbar genervt aus. Dann blickte er Feilong wieder an.

„Du machst die Dinge unnötig kompliziert! Alles was du tust ist Vermutungen aufstellen! Ohne irgendwelche stichhaltigen Beweise! Du kennst weder meinen Vater noch mich und du denkst, nur weil Haru hier das Zimmer verwüstet hat, müsstest du ihn retten! Nur zur Info, das ist nicht das erste Zimmer das mein Bruder, den ich seit 26 Jahren kenne, verwüstet! Haru war schon immer ein Rebell, Haru hat noch nie einen leisen Fick auf irgendwas gegeben, ausser auf seine eigenen Launen! ICH bin der, der alles immer wieder gerade bügelt! Ich bin der, der für ihn immer wieder den Kopf hinhalten muss! Ich bin der, der die Familie eines Tages leiten wird! Die Komplette Verantwortung liegt völlig bei mir! Ich muss mir über jeden einzelnen Schritt meines eigenen Lebens und das meines Bruders Gedenken machen! Ich muss die Konsequenzen dafür tragen! Haru tut einen Scheiss! Und doch, will ich nichts, als sein Glück, denn er HAT eine Wahl!“

Er wurde etwas lauter als er wollte, dann atmete er durch und zwang sich dazu etwas kontrollierter zu sprechen.

„Wenn ich Vermutungen aufstellen würde, so wie du es tust, dann würde ich sagen, dein Vater pudert dir deine Alabaster-Poperze auch nur, weil er Schuld am Tod deiner Mutter ist! Dein Vater ist genauso wenig ein Heiliger wie meiner! Aber du musst keinerlei Verantwortung für irgendwas tragen! Du musst mit keinen Konsequenzen leben! Und weil du dir keine Gedanken darüber machen musst, was für ein Rattenschwanz deine Entscheidungen mit sich bringen, ist dein Verhalten ein egoistisches! Du weisst nicht, wie sehr du meinem Bruder schadest, wenn du dich mir jetzt in den Weg stellst, Feilong Kodama! Ich bin nicht dein Feind und noch viel weniger bin ich meines Bruders Feind! Also, bitte ich dich noch ein letztes Mal, uns jetzt einfach gehen zu lassen!“