Koji erblickte Yuto ziemlich schnell. Er hatte gerade noch Trinkgeld erhalten und sich bedankte, ehe er auf ihn zukam.
"Hey!" lächelte er freundlich.
"Fühlst du dich etwas besser?" fragte er dann. Im Augenwinkel sah er das Foto von Ryo.
Was war denn hier los? Er sah sich ein Foto seines Freundes an? Das war ja wohl nicht Yutos Hintergrundbild oder sowas?!
Sollte er ihn darauf ansprechen? Wäre es seltsam?

Koji zögerte, behielt jedoch sein Lächeln bei.
"Cooles Foto, hat er das gerade gemacht? Ungewöhnlich für ihn, dass er sich selbst fotografiert." merkte er an, deutete dabei auf das Handy.
Er wollte einfach dran glauben, dass Ryo Yuto das nur zur Ablenkung und Aufmunterung geschickt hatte....aber so ein Foto sah Ryo wirklich nicht ähnlich.
Er sah ja schon irgendwie heiß aus! Zum Aufmuntern hätte doch ein bescheuertes, albernes Bild gereicht, nicht wahr?
Koji merkte, wie es ihn verunsicherte, beinahe schon Eifersucht in ihm hervor rief. War das normal? Es war doch bloß ein Foto..! Aber...wieso hatte Ryo es Yuto geschickt und nicht ihm?

„Hey…“, hatte er nur leise von sich gegeben. Eigentlich hatte er so überhaupt keine Muse, sich mit Koji zu unterhalten. Ausgerechnet dem Kerl, der irgendwie alles….

Dann kam auch schon der Kommentar zum Bild. Eigentlich wollte Yuto noch mal drauf sehen, aber in dem Moment ging der Akku aus. Er hatte nicht darüber nachgedacht, dass es so wirken könnte, als wolle er es verbergen. Er hatte gerade ganz andere Dinge im Kopf.

„Nichts für ungut, Mann, aber ich muss weiter. Hab nen schönen Tag.“, meinte Yuto nun und ging an ihm vorbei.

Er wollte sich jetzt einfach nur ein paar Klamotten holen. Was er dann tun würde, würde er anschließend überlegen.

Er trat aus dem Gebäude, blickt nochmal auf sein Handy. Verdammt, der Akku war wirklich leer. Genervt schob er es in seine Hosentasche.

Koji zog eine Augenbraue hoch, als Yutos Bildschirm schwarz wurde. Wollte er das verstecken? War es ihm unangenehm, dass er das gesehen hatte?
Der dunkelhaarige merkte, wie immer mehr Eifersucht sich in ihm anstaute. Was genau war da zwischen Ryo und Yuto?!

"Eh?" Er wurde einfach stehen gelassen! Eiskalt! Völlig überrumpelt sah er Yuto nurnoch nach, als dieser ging.
Yuto hatte ihm zwar einen schönen Tag gewünscht, aber irgendwie hatte das alles doch eher unhöflich und abblockend gewirkt.

Kopfschüttelnd holte Koji sein Handy raus und begann Ryo zu schreiben.
"Hey, Babe! Hab grad Yuto getroffen, musste hier Essen anliefern und da kam er gerade hier entlang. Kam mir beinahe vor als wär ich ein alter, nerviger Schulkamerad von ihm oderso, er ist direkt gegangen....ich hoffe bei ihm ist bald alles okay."
Gerade als er es abschickte bekam auch er ein paar Fotos von Ryo, was ihn ein wenig beruhigte.

"Sehr hübsch! Ich freu mich sie mir nachher mal richtig anzusehen <3" schrieb er rasch hinterher.


Ryo hatte Kojis Nachricht gelesen und ihm auch geantwortet, dass Yuto wohl noch etwas Zeit für sich bräuchte und dann wär es sicher bald wieder gut, dann widmete er sich weiter seiner Arbeit. Es war dennoch schwer sich zu konzentrieren, wenn Yuto einem die ganze Zeit im Kopf herumspukte!

Yosuke war arbeiten. Zumindest war er dort anwesend. Gedanklich machte er sich aber die ganze Zeit Sorgen. Wo war Yuto nur und würde er ihm je vergeben? Er hatte es doch nicht ernst gemeint. Es war einzig die Geilheit gewesen, die aus ihm gesprochen hatte. Er machte sich große Vorwürfe. Vielleicht war das mit diesem Partnertausch doch keine gute Idee. Wäre Yuto etwas derartiges heraus gerutscht, wäre er sicher auch verunsichert. Dann wiederum, hatte er ja dauernd die Angst, dass Yuto und Ryo irgendwas am Laufen hatten. Dann dachte er an Ryo. Oh Mann, dessen Gefühle hatte er ja gar nicht berücksichtigt.

Er ging zur Toilette und tippte eine Nachricht an den Blondschopf.

„Hallo Ryo, ich hoffe es geht dir gut. Leider habe ich noch nichts von Yuto gehört. Davon abgesehen, wollte ich mich bei dir entschuldigen! Das, was ich zu deinem Freund gesagt habe, das war nicht so gemeint! Ich hoffe, du kannst mir das glauben. Ich möchte nicht, dass das irgendwie zwischen uns oder noch schlimmer, zwischen euch steht! Ich kenne meinen Platz und ich möchte ihn dir in keiner Form streitig machen. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen!“


Yuto war unterdessen in die Wohnung gegangen und hatte sich dann eine Tasche mit frischen Kleidern gepackt. Er dachte auch an eine Ladekabel und an ein bisschen Erspartes, das er in der Küche in einer Keksdose gesammelt hatte.

Er nahm dann noch eine lange, heisse Dusche und brach auf. Das Handy hatte er in der Zwischenzeit noch geladen und verließ dann die Wohnung. Er wusste nicht, wohin ihn seine Füße trugen, bis er sich an Ryos Atelier wieder fand.

Zögerlich betätigte er den Türknauf und trat dann vorsichtig ein. Ryo musste noch hier sein, denn es war nicht verschlossen.

In dem Moment in dem er ihn sah, schlug sein Herz doppelt so schnell und er wollte ihn einfach nur an sich ziehen und für immer fest halten, doch er entschied sich dagegen, machte auf dem Absatz kehrt um wieder zu verschwinden.

Ryo war tatsächlich gerade etwas abgelenkt. Er tippte die Antwort an Yosuke auf seinem Handy und bekam so nicht sofort mit, dass die Tür auf ging.
Im Augenwinkel sah er allerdings in einem Spiegel plötzlich Yutos Gesicht. Er fuhr zusammen, sah hastig zur Tür und tatsächlich! Da war Yuto!
"H-hey!" gab Ryo von sich, als ihm bewusst wurde, dass der jüngere gerade einfach wieder gehen wollte.

Yosuke und die Antwort waren gleich vergessen. Er schrieb nicht zu ende, schickte die Nachricht nicht ab. Stattdessen legte er das Telefon weg, stand auf und flitzte zu Yuto. Er zog ihn sachte in sein Atelier, schloss die Tür und schlang seine Arme um ihn.

"Lauf nicht weg..." bat er leise, blickte ihn beinahe schon flehend an.

"Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht!" gestand der blonde, strich Yuto dabei sachte eine Strähne zur Seite und legte seine Hand dann auf dessen Schulter.

"Es freut mich, dass du mich aufgesucht hast. Das heißt, dass du mir immernoch vertraust und du mich brauchst, oder?" lächelte er aufmunternd.

Stumm liess sich Yuto von Ryo in das Atelier ziehen. Er hörte dessen Worte, sah dessen Rehaugen, wie besorgt sie aussahen, das zarte Lächeln, das Ryos Lippen umspielte.

Wie konnte in Mensch nur so wunderschön sein.

Der Kloss in Yutos Hals wurde so gross, dass er nicht mehr dagegen anschlucken konnte. Er krallte sich an Ryos Oberteil fest und sackte auf die Knie. Er fing bitterlich an zu schluchzen und zu weinen.

„Ich… wollte das nicht! Ich..hab jemandem weh getan! Ich… wollte das alles nicht… aber ich war so wütend… ich …. Ich kann nicht mehr.. ich bin so ein Monster… Ryo… ich kann nicht mehr… was, wenn ich noch jemandem weh tue? Was…. Wenn ich dir weh tue???“

Der junge Mann konnte sich gar nicht beruhigen. Er zitterte und schluchzte zwischen seinen Worten. Dabei sackte er immer weiter in sich zusammen.

Ryo schrak auf, als Yuto auf die Knie sank. Sofort kam er zu ihm runter, legte seine Hand auf die Schulter des jüngeren und hörte aufmerksam zu, was er ihm zu sagen hatte.

"Yuto...hey..." gab er leise von sich, strich ihm über die Wange und dadurch ein paar Tränen weg.
"Yuto, bitte sieh mich an." er hob sachte das Kinn seines Besuchers an, blickte ihm in die Augen und lächelte lieblich.
"Bitte beruhige dich, du kannst mir alles in Ruhe erzählen, hm? Ich bin mir sicher, dass du mir nicht weh tust, keine Sorge."
Er zog ihn an sich, schloss die Arme um den größeren und drückte ihn sanft. "Alles wird gut, ich bin da, ich helfe dir."
Ryo strich dem anderen durchs Haar, streichelte ihn so liebevoll, dennoch war er wirklich besorgt. Was meinte Yuto damit? Wem hatte er wie weh getan? Was war los? Was war bloß passiert? So ruhig, wie er tat, war er eigentlich garnicht.
Yutos Worte waren extrem besorgniserregend und auch etwas beängstigend. Hatte er jemanden schwer verletzt? Vielleicht sogar aus versehen getötet? Der blonde wollte erstmal genau hören, was los war, aber dafür musste der jüngere erstmal ruhiger werden.

Vorsichtig nahm Ryo den Kopf von Yuto zwischen seine Hände, lächelte ihn auch jetzt noch aufmunternd an und gab ihm schließlich sogar einen Kuss auf die Stirn.
"Geht es etwas besser? Komm, wir setzen uns richtig." Er half Yuto beim Aufstehen, um sich mit ihm auf die kleine Couch zu setzen, die hier herumstand. Dort angekommen legte er seinen Arm wieder um ihn, sodass Yuto seinen Kopf auf seine Schulter legen könnte, wenn er wollte. "Kannst du mir in Ruhe erklären, was passiert ist?" fragte er leise, streichelte dabei vorsichtig den Arm seines Freundes.

Yuto liess sich von Ryo aufhelfen. Er schluchzte weiter, aber es verebbte langsam. Er fühlte sich geborgen und sicher in den Armen des Blondschopfes.
Dennoch, Ryo würde sich doch sofort von ihm abwenden, wenn er ihm die ganze Wahrheit erzählen würde. Das ging nicht! Unter keinen Umständen durfte er das riskieren!

Er atme tief ein und aus, seine Stimme klang alles andere als fest. Sie war zittrig und schwach.

„Ich… meine Narbe… sie ist schon so lang ein Teil meines Lebens und ein Zeitzeuge von dem… was in meiner Vergangenheit passiert ist…. Ich habe eine Ärztin und sie kennt mich schon lange… ich wollte mit ihr sprechen… weil ich… so überfordert war… und dann… wurde ich so wütend… aber … ich habe den Krankenwagen gerufen….. ich.. ich hab… ich weiss nicht wie.. aber … ich glaube… ich habe ihr weh getan… Ryo… ich habe… ihr weh getan….“

Wieder begann er zu schluchzen. Es tat ihm wirklich leid, aber vor allem machte es ihm eine Heidenangst, denn er konnte sich wirklich nicht im Geringsten daran erinnern, wie es dazu kam, dass er sie an die Wand gedrückt und ihr an die Gurgel gegangen war. Egal wie sehr er versuchte, sich zu erinnern, es gelang ihm nicht.

„Ich will niemandem mehr weh tun….. Ryo.. ich… liebe dich doch….“

Er sah ihn mit Tränen in den Augen an. Legte dann auch eine Hand an die Wange des Fotografen.

„So sehr…“, flüsterte er.

Ryo hörte aufmerksam zu, wollte er doch wirklich gerne verstehen, was los war. Yuto sollte keinen Grund haben sich zu verstecken oder so unendlich schlecht zu fühlen. Jedes Problem konnte man irgendwie lösen, nicht wahr?

Es ging um die Narbe, die Ryo so unfassbar schön und interessant fand? Wegen ihr ging er zu einer Ärztin? Wahrscheinlich meinte er eine Psychologin? Ryos Gedanken drehten sich regelrecht im Kreis. Yuto hatte sie verletzt und wusste nicht wie... Er klang gerade so verängstigt und schwach wie noch nie zuvor. Um Yuto zu beruhigen streichelte er dessen Schulter sanft, ließ ihn bis zum Ende ausreden und sich ihm auch sanft über die Wange, als er wieder zu schluchzen begann.
Die Situation war ein wenig überfordernd, aber Ryo wollte alles tun, um Yuto zu stärken und ihm zeigen, dass alles wieder gut werden würde. Die Hand an seiner Wange und dazu diese Worte... Der Blonde sah Yuto gequält an, ehe er ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte.
"Ich liebe dich auch, Yuto... Wir schaffen das gemeinsam, hm? Ich bin mir sicher, dass du niemandem mehr wehtun wirst." er zog ihn in seine Arme, presste ihn leicht an sich.
"Ich nehm dich an meine Hand und führe dich, okay? Ich helfe dir aus der Dunkelheit herauszufinden."

Langsam löste er sich von ihm, hauchte ihm anschließend einen zarten Kuss auf die Lippen und lächelte ihn danach aufmunternd an. "Es ist doch schonmal gut, dass du einen Krankenwagen gerufen hast, das bedeutet, dass es ihr wahrscheinlich wieder gut geht, hm? Lass uns herausfinden, ob sie noch im Krankenhaus oder schon wieder Zuhause ist, ja? Wir können sie besuchen, sobald du dich dazu in der Lage fühlst und wenn sie das zulässt, dann entschuldigst du dich bei ihr und erklärst ihr, was los war. Sie ist doch deine Ärztin, sie wird mit sowas gerechnet haben, wenn sie dich so gut kennt, oder?"
Ryo blieben die letzten Worte regelrecht im Halse stecken, nachdem er sie ausgesprochen hatte. Er hatte auch geglaubt Yuto zu kennen und hätte niemals erwartet, dass er zu soetwas fähig sein würde.

"Was kann ich tun, damit du dich besser fühlst? Ich bin für dich da, versprochen. Wenn du weißt, wie ich dir helfen kann, dann sag mir bescheid und ich tue es."

Die sanften Berührungen und die Worte des anderen taten so unendlich gut. Sie drangen zu ihm durch und das war wohl wichtig.

Auf die Frage hin, was Ryo für ihn tun könnte, wollte er am aller liebsten sagen, dass er mit Koji Schluss machen und mit ihm durchbrennen solle. Doch er behielt es für sich. Er wusste, dass der Blonde dazu nicht im Stande war. Ihm war klar, wie wichtig ihm Koji war und auch seine Arbeit als Fotograf. Ja natürlich könnte er auch an anderen Orten fotografieren, aber darum ging es ja nicht.
Das eigentliche Problem war eindeutig Koji. Dieser super coole, attraktive Mann, dem einfach niemand widerstehen konnte, noch nicht einmal Yosuke und der hatte Yuto immer wieder gesagt, wie sehr er ihn lieben würde….
Leise krabbelte wieder die Wut in ihm hoch. Doch er unterdrückte sie. Ein einziger Blick in die Rehaugen des anderen half ihm dabei.

„Es gibt etwas, das du für mich tun kannst!“, meinte er dann.
„Bitte bring mich zum Krankenhaus. Ich möchte zu Dr. Shibata gehen und mich vergewissern, dass es ihr besser geht. Und… ich möchte mich entschuldigen. Kannst du mir helfen, einen schönen Strauss Blumen auszusuchen?“

Es war ihm wirklich ein grosses Anliegen und er war sich sicher, dass er das mit Ryo an seiner Seite hin bekam. Auch, wenn er nicht wusste, wie die Psychologin reagieren würde. Aber er würde bestimmt mit jeder Reaktion umgehen können, solange der andere bei ihm war.

Ryo hätte ihm wohl nur diesen einen Wunsch nicht erfüllen können. Koji zu verlassen und alles hier zurückzulassen, eigentlich sein gesamtes Leben hinter sich zu lassen, das könnte er nicht.

Der Blonde wurde hellhörig, als Yuto ihm mitteilte, dass er etwas für ihn tun könnte.
"Ein Taxi zum Krankenhaus, mit Umweg über den Blumenladen, wird bestellt!" lächelte Ryo freundlich, ehe er Yuto noch einen sanften Kuss auf die Wange gab. Er nahm ihn an die Hand, führte ihn zum Waschbecken und befeuchtete da ein frisches Handtuch mit kaltem Wasser, um Yuto damit sachte das Gesicht zu säubern. "Wir wollen doch gut aussehen, wenn wir uns entschuldigen gehen, hm?" lächelte er hübsch, strich danach eine Strähne des anderen zur Seite und nickte zufrieden.
"Gut, fahren wir."
Ryo ließ Yutos Hand nicht los, bis dieser im Auto saß. Er konnte auf keinen Fall riskieren, dass der Junge nochmal fortlaufen würde, sonst würde er noch vor Sorge umkommen.
"Hier ganz in der Nähe gibt es einen tollen Floristen. Weißt du zufällig, welche Blumen sie gerne mag? Hat sie vielleicht manchmal welche im Büro stehen oder trägt sie eine bestimmte Farbe auffällig oft?"
Ryo wollte sich die größte Mühe geben, um einen besonders schönen Strauß mit Yuto zu kaufen. Er sollte ihr gefallen.

Beim Floristen angekommen, fand sich recht schnell ein wirklich schöner Strauß, passend zu den Infos, die Yuto ihm gegeben hatte. "Schau mal."
Er deutete auf verschiedene Spieße mit Sprüchen wie "Happy Birthday" oder "Gute Besserung" und "Es tut mir leid". "Möchtest du sowas mit drin haben?" ,fragte er den jüngeren.

Endlich war es geschafft, Yuto saß mit dem großen Strauß auf dem Beifahrersitz und sie fuhren zum Krankenhaus. Ob Yuto sie wirklich so stark verletzt hatte, dass sie erstmal im Krankenhaus bleiben musste? Er hoffte sehr, dass dem nicht so war, aber andererseits wusste Yuto sicher auch nicht ihre Privatadresse. "Wir sind da. Soll ich mitkommen?"

Yuto liess sich von dem blonden leiten. Er war sich zwar nicht sicher, wie die Blumen hießen, die Dr. Shibata mochte, aber er konnte sie beim Floristen entdecken und war dankbar über die Hilfe, die ihm geboten wird. Er hatte sich auch für einen „Gute Besserung“ Spiess entschieden. Zu sagen dass es ihm leid täte, wollte er lieber direkt und mündlich übernehmen.

Im Taxi auf dem Weg zum Krankenhaus wurde er zunehmend nervöser. Seine Hände wurden schwitzig, daher liess er auch Ryos los.

„Kannst du mich vielleicht noch, bis zur Information begleiten?“, fragte er kleinlaut.

Sie stiegen aus und mit jedem Schritt, den sie taten wurden seine Beine schwerer. Es war das gleiche Krankenhaus in dem er schon so oft gewesen war. Er hasste diesen Ort. Dennoch wollte er sich dem stellen.

An der Information erkundigte er sich nach Dr. Shibata. Leider wurde ihm aber gesagt, dass er sie nicht besuchen konnte, weil er kein Familienmitglied sei. Er versuchte zu versichern, wie nahe sie sich standen, aber sie verrieten ihm einfach nicht, in welchem Stockwerk oder Zimmer sie sich befand.

Geknickt sah er Ryo an.

„Yuto?“, hörte er plötzlich eine Frauenstimme. Er drehte sich um.

Es war seine Tante Yoriko.

Sie blickte ihn überrascht an und beäugte auch seinen Begleiter.

„Du bist nicht hier um deinen Grossvater oder deine Grosstante zu sehen, nehme ich an?“, fragte sie vorsichtig und trat näher. Sie lächelte ihn warm an und verneigte sich leicht vor Ryo.

„Das ist Ryo und das ist meine Tante Yoriko!“, sprach Yuto schnell.

„Freut mich sehr!“, lächelte sie Ryo an.

„Dr Shibata ist hier im Krankenhaus!“, erklärte er dann.

„Oh, wirklich? Dann habe ich mich nicht getäuscht! Ich habe sie vorhin im Flur gesehen, dachte aber, dass es jemand anderes gewesen sein muss.“

„Wirklich? Wo war das?“

„Oben im 3. Stock. Ich habe sie am Aufzug vorbei laufen sehen, also nehme ich an, dass sie im Westflügel ist.“

„Danke, Tante Yoriko! Ich ruf dich nachher an, okay?“

Er sah Ryo kurz an, nickte ihm zu und eilte dann allein nach oben.

Yoriko sah ihm hinterher und blickte dann Ryo wieder an.

„Wollen wir in der Cafeteria auf ihn warten?“, erkundigte sie sich freundlich, denn sie fand auch, dass der junge Mann etwas verloren aussah, aber er hatte gütige Augen, daher war sie sich sicher, dass er sich bestimmt um ihren Neffen sorgte.

"Natürlich." lächelte Ryo sanft, ehe er ebenfalls aus seinem Auto stieg und Yuto hineinbegleitete. An der Information angekommen passierte das, was der Blonde leider bereits befürchtet hatte. Yuto konnte nicht zu ihr, da er kein Familienmitglied war, Mist.
Gerade wollte er ein paar aufbauende Worte von sich geben wie "Sobald sie raus ist, können wir sie sicher auch so besuchen" oder ähnliches, aber da hörte er, wie eine Dame den Namen seiner Begleitung aussprach. Verwundert sah Ryo die Frau an, lächelte dann aber wieder freundlich.

Auch Ryo verbeugte sich leicht, um die Dame zu begrüßen.
"Freut mich ebenfalls!" gab er höflich zurück.
Die Frau schien wirklich nett und Yuto schien sich auch gut mit seiner Tante zu verstehen, das war sehr beruhigend zu sehen.

"Ich warte hier auf dich.", rief Ryo Yuto noch nach, ehe er Yuriko ansah und zustimmte in die Cafeteria zu gehen, um dort zu warten.
Gemeinsam steuerten sie die Cafeteria an und Ryo bot der Dame an, ihr einen Kaffee zu spendieren. Als sie dann endlich saßen, überlegte Ryo, wie er ein Gespräch beginnen könnte. Sicher hatte sie sich auch um Yuto gesorgt, nicht wahr? Oder war Yuto vielleicht in der Zeit, in der die drei Jungs sich solche Sorgen gemacht hatten, bei ihr untergekommen? Er war nicht sicher, wollte Yuto aber auch auf keinen Fall in Verlegenheit oder gar Schwierigkeiten bringen.

"Sie sind also Yutos Tante? Er erzählt nicht sehr viel von seiner Familie, ich freue mich mal jemanden kennenzulernen, der ihm so nahe steht." lächelte Ryo warm.
Er wusste nicht recht, wie er sonst ein Gespräch starten sollte, aber das war hoffentlich in Ordnung. Es war nicht zu viel verraten und es war höflich, oder?
Ryo fühlte sich innerlich total nervös, nach außen hin gab er sich dennoch sehr ruhig und geduldig. Es war für ihn nicht so leicht wie für Koji, mit fremden Leuten zu sprechen, wenns nicht um seine Fotografie ging. Oh! Das wäre vielleicht ein gutes Thema?
"Wissen Sie, ich habe Yuto vor einer Weile gebeten, mir bei meinem Studium zu helfen, indem er Modell steht. Ich studiere Fotografie und Yuto macht das wirklich toll. Ich habe bereits viele, unglaublich schöne Bilder von ihm einfangen dürfen und nach einer Weile sind wir sogar gut Freunde geworden." erzählte Ryo ihr ein wenig, damit sie verstand, wer er überhaupt war. Hoffentlich war das in Ordnung für Yuto und ein annehmbares Thema, über welches man locker sprechen konnte.

Tante Yoriko bedankte sich, kaufte dann aber auch noch ein Gebäck, dass sie Ryo im Gegenzug geben konnte. Da sie älter war, war es für sonst zu seltsam, dass eine jüngere Person sie einfach so einlud.

„Jetzt sind wir quitt“, hatte sie lächelnd gesagt, als sie das Gebäck vor ihn stellte anstatt es selbst zu essen.

Neugierig hörte sie zu. Sie lächelte immer mehr und ihre Augen strahlten, als sie nun begriff, wer Ryo war.

„Du bist also der Fotograf! Yuto wollte erst nicht, aber ich habe ihm Mut zugesprochen, es doch einfach zu versuchen! Das freut mich wirklich sehr! Er war so aufgeregt, weil ihn wirklich jemand interessant genug fand um ihn sogar ablichten zu wollen. Die Bilder würde ich wirklich gerne einmal sehen!“

Sie nippte an ihrem Kaffee. Dann legte sie den Kopf leicht schief und mustere den jungen Mann vor sich. Dann lächelte sie wieder und meinte:

„Danke, dass du dich ihm annimmst… Yuto hatte wirklich nicht viel Glück in seinem Leben und es fällt ihm schwer, sich jemandem zu öffnen. Dass er also heute mit dir hier ist… nun ja, du musst etwas ganz besonderes für ihn sein.“

Sie sah auf ihre Tasse als sie weiter sprach:
„Ich bin mir nicht sicher, was Yuto dir alles erzählt hat, aber ich denke, es ist vielleicht hilfreich für dich, wenn du etwas mehr über ihn weisst. Dann kannst du vielleicht auch besser mit ihm umgehen… also, nicht dass du das nicht schon tun würdest, aber manchmal ist es schwer ihn zu versehen, weisst du wie ich meine?“

Yoriko lächelte sanft.

„Wir kommen vom Lande, ja wir leben am Rande der Großstadt, aber unsere Familie hat lange nur von der Landwirtschaft gelebt. Schon mein Grossvater hat die Getreidefelder bestellt und viele Restaurants, die für ihre Buchweizennudeln bekannt waren, haben bei uns alles bezogen. Mein Vater, Yutos Grossvater hat den Betrieb weiter geführt und da mein Vater nur zwei Töchter hatte, sollte der Betrieb an Yutos Vater weiter gehen und dann irgendwann an Yuto. Leider passierte ein ganz furchtbares Unglück. Yutos Eltern - meine Schwester und ihr Mann - sind bei einem Feldbrand ums Leben gekommen. Mein Vater, erlitt von dem Schock einen Schlaganfall und mit unserer Familienfirma ging alles den Bach hinunter.“

Betrübt sah sie Ryo an.

„Yuto Grosstante, also die Schwester meines Vaters kümmerte sich seither um ihn…. Aber - ich möchte ganz ehrlich zu dir sein und hoffe, dass das unter uns bleibt - aus irgend einem Grund hat sie Yuto immer die Schuld dafür gegeben, dass das alles passiert ist und er ist mit diesem Gedanken gross geworden. Ich war zu der Zeit, als das alles passierte im Ausland um zu studieren. Aber als ich zurück gekommen bin, habe ich diesen gewaltigen Scherbenhaufen vorgefunden. Und Yuto… er tut mir so unendlich leid! Aber ich konnte ihn auch nicht zu mir nehmen und dafür schäme ich mich. Er war in einer Therapie um das alles aufzuarbeiten und ich hatte wirklich das Gefühl, dass er große Fortschritte macht. Auch dass er auf eigenen Beinen stehen und ausziehen wollte, fand ich super und habe es sehr begrüsst. Er muss seinen eigenen Weg finden, denn erben wird er die Firma nicht mehr… sie existiert ja nicht mehr.“

Sie musterte den anderen.

„Ich hoffe, ich habe dich nicht erschlagen mit all dieser Information. Bitte entschuldige!“, sie lachte kurz auf.

„Dr Shibata ist eine gute Psychologin. Schön, dass Yuto sie besuchen möchte!“


****

Yuto trat so vorsichtig aus dem Aufzug, als würde er auf Lava treten, sobald die Tür sich hinter ihm schloss. Er blickte von rechts nach links und konnte sich nicht so recht entscheiden, in welche Richtung er nun gehen sollte.

Den Blumenstrauss als Schutzschild haltend, ging er dann einfach in die Richtung, in der weniger Leute waren. Eine gehetzte Krankenschwester lief ihm beinahe in die Arme, entschuldigte sich dann aber und hastete davon. Er wollte sie noch fragen, wo Dr. Shibata zu finden war, aber er traute sich nicht. Sein Herz klopft bis in den Hals.

So würde er sie niemals finden, dachte er und verlor langsam den Mut. Er wandte sich schon um, als eine Tür aufging und die besagte Krankenschwester heraus trat, er konnte einen Blick ins Zimmer erhaschen und sah tatsächlich die Psychologin auf dem Bett sitzen.

Die Tür schloss sich, bevor sie ihn erblickte und so räusperte er sich, ging auf die Tür zu und klopfte.

„Ja..“, kam eine kratzige Stimme aus dem inneren.

Er öffnete die Tür und steckte den Kopf durch den Spalt, dann trat er vorsichtig mit dem Blumenstrauss herein.

Er blickte auf das Gesicht der Frau, die ihn jahrelang betreut hatte. Er konnte allerdings nicht ausmachen ob sie überrascht oder schockiert war, ihn zu sehen. Ihre Augen waren einfach nur geweitet und sie brachte keinen Ton heraus.

Ryo bedankte sich höflich für das Gebäck. "Das sieht echt lecker aus." merkte er an.
"Oh, dann muss ich mich wohl bei Ihnen bedanken, dass Sie Yuto Mut zugesprochen haben. Ich hatte echt schon Sorge, dass er nicht annehmen würde, dabei hat er so eine besondere Ausstrahlung!" Ryo war total in seinem Element. Wenn er über die Fotografie und seine Modelle sprach, konnte er Stunden damit füllen. Yuto und Koji waren mit Abstand seine liebsten Modelle und sie waren beide besonders schön. "Ich kann Ihnen gerne ein paar Bilder zeigen, ich hab einige auf meinem Handy!" strahlte er.
Er kramte nach seinem Handy, merkte dann aber, dass er es im Auto vergessen haben musste, da er das als Navi benutzt hatte. "Oh, tut mir leid... Ich habe es im Auto liegen lassen, aber sicher kann ich Ihnen die Fotos mal zeigen."

Die nächsten Worte ließen ihn aufhorchen. Er sah sie an, wurde wieder viel ruhiger und lächelte dennoch leicht. "Ich hoffe, dass ich Yuto ein wenig Glück in sein Leben bringen kann." sprach er lächelnd. Ryo war gespannt, was nun folgen würde. Würde er mehr über Yuto erfahren und das von jemandem, der ihm völlig fremd war?

Er nickte. "Er ist manchmal wirklich ein Rätsel. Er erzählt nicht viel von sich oder seiner Vergangenheit." stimmte er zu.

Ryo sah die Frau mitfühlend an, als diese vom Feldbrand berichtete. Er wusste bis gerade ja nichtmal, dass Yuto keine Eltern mehr hatte.
Er nickte erneut, um zuzustimmen, dass das, was die Dame jetzt erzählen würde, unter ihnen bleiben würde. Es klang fürchterlich und nicht gerade nach einer schönen Kindheit. Er war also bei jemandem aufgewachsen, der Yuto die Schuld für alles gab?
"Nein, nein! Bitte entschuldigen Sie sich nicht. Ich bin froh, dass ich mehr über ihn erfahren kann. Yuto ist mir sehr ans Herz gewachsen und ich möchte ihn besser verstehen lernen. Ich möchte ihm ein guter Freund sein, Verständnis haben und für ihn da sein und das geht am besten, wenn ich weiß, was er alles erlebt hat." sprach der Blonde ehrlich.

"Yuto ist ein guter Mensch, er verdient es, glücklich zu sein und ich bin froh, dass er zu Dr. Shibata geht." lächelte er.
"Darf ich fragen, wieso Yutos Großtante ihm die Schuld gibt?", fragte er schließlich sehr vorsichtig. Es interessierte Ryo sehr und er fragte sich im selben Moment auch, ob die Narbe, die er an Yuto so faszinierend und schön fand, ebenfalls bei diesem Brand entstanden war.
Ob sie ihm die Schuld gab, weil er das überlebt hatte?