„Danke, dann bin ich erleichtert.“, sprach die Tante. Sie war wirklich froh, dass sie Ryo das sagen konnte, ohne dass er gleich die Flucht ergreifen wollte.

Sie nippte noch einmal am Tee, bevor sie ihm antwortete:

„Um ehrlich zu sein, weiss ich bis heute nicht genau, warum meine Grosstante ihn dafür zur Verantwortung ziehen will. Ich habe nur einmal zufällig mitbekommen, wie sie am Krankenbett meines Vaters leise Flüche über Yuto aussprach. Sie hatte immer wieder gesagt, dass er ein Feuerteufel sei, der nur Verderben über die Familie bringen würde. Sie ist wohl der festen Überzeugung, dass Yuto das Feuer damals absichtlich gelegt hatte. Bei dem Versuch ihn zu retten sind seine Eltern umgekommen. Das schlimme ist…. Niemand ausser Yuto weiss, was wirklich passiert ist. Niemand… vielleicht noch Dr. Shibata, aber sie ist natürlich an die Schweigepflicht gebunden.“

Sie musterte Ryo.

„Wenn Yuto das Feuer gelegt hat, dann war es sicherlich nur ein Versehen. Ein dummer Streich, der fürchterliche Folgen hatte. Da bin ich mir sicher. Meine Schwester und auch mein Schwager haben Yuto abgöttisch geliebt. Er hätte niemals seinen Eltern absichtlich Schaden zugefügt! Niemals. Ich befürchte aber, dass meine Tante ihn aber das über die Jahre eingetrichtert haben könnte…. Oh Gott… jetzt wo ich so darüber nachdenke, fühle ich mich noch schlechter, dass ich Yuto da nie raus geholt habe!!“

Sie begann zu schluchzen. Nahm sich schnell eine Serviette und tupfte sich die getuschten Augen.

„Entschuldigung…!“

Sie trank schnell nochmals vom Tee und sah Ryo dann wieder an.

„Warum ist Dr. Shibata eigentlich im Krankenhaus?“, versuchte sie nun das Thema etwas zu ändern.

Ryo würde niemals einfach so die Flucht ergreifen. Er wollte Yuto nicht verlassen und ihn auf sich allein gestellt lassen.
Es war unglaublich traurig zu hören, dass Yuto für das Feuer verantwortlich sein sollte.
"Yuto ist ein guter Mensch, ich glaube, er würde niemals jemandem absichtlich schaden oder wehtun." lächelte Ryo aufmunternd. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass dieser liebe Kerle seine Eltern umgebracht haben könnte. Sowas passte einfach nicht zu dem Yuto, den er kannte.

Ryo wollte eigentlich noch etwas dazu sagen, doch das Schluchzen schreckte ihn auf. Er suchte sofort nach einem Tuch, doch die Dame hatte bereits eine Serviette genommen.
"Sie müssen sich wirklich nicht entschuldigen." lächelte der Blonde verständnisvoll.

Die Frage ließ ihn stocken. Ja..wieso war sie im Krankenhaus? Was hatte Yuto ihr angetan? Er konnte unmöglich dieser liebreizenden Frau sagen, dass Yuto sie ins Krankenhaus gebracht hatte.
"Ich weiß nicht, ich habe Yuto bloß hergebracht, damit er nicht so einen umständlich langen Weg hat." log er noch immer lächelnd. "Ich hoffe, ihr geht es bald besser." merkte er noch an.
Gott, es fühlte sich so falsch an sie anzulügen, aber niemals könnte er jetzt verraten, dass Yuto irgendwas getan hatte, wo er selbst nicht genau wusste, was es war.

„Ich bin so froh, dass Yuto dich kennengelernt hat! Du bist ein guter Umgang für ihn! Danke!“

Sie hörte zu, was mit Dr. Shibata war und nickte. „Ist Yuto nicht lieb, dass er sogar nach seiner Psychologin schaut und das, obwohl er nichts mehr hasst als Krankenhäuser?“

Sie lächelte freudig. Ja, Yuto war ein guter Junge und Ryo machte ihr auch einen sehr guten Eindruck. Das erleichterte sie ungemein.

„Was genau machst du denn sonst so?“, erkundigte sie sich nun interessiert.


******


„Yuto…“, kam es kratzig von der Patientin.

„Dr. Shibata. Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen….Es…“

„Du hat den Krankenwagen gerufen, nicht wahr?“, unterbrach sie ihn mit schwacher Stimme.

„J-ja.“

„Dann hast du mich gerettet, Yuto. Danke dafür.“, lächelte sie.

Überrascht und fast schon etwas perplex sah er sie an.

„Sind die Blumen für mich?“

„J-Ja, die sind für Sie. Moment“, er nahm eine Vase, die sichtbar auf einer Vitrine stand, füllte etwas Wasser ein und steckte den Blumenstrauß etwas unbeholfen hinein. Dann brachte er ihn und stellte ihn neben sie ans Bett.

„Der ist wirklich ausgesprochen schön! Danke dir, Yuto!“

„Sehr gern. Ich… wusste nicht, ob er Ihnen gefallen wird. Da habe ich einen Freund gefragt.“

Wieder lächelte sie.

Diese ganze Situation verunsicherte ihn wahnsinnig. Warum war sie so ruhig? Warum jagte sie ihn nicht zum Teufel?! Er war doch der Grund, warum sie überhaupt hier war! Oder würde der Sicherheitsdienst gleich hier einmarschieren?

Er blickte zur Tür, sie öffnete sich aber nicht und keine wütende Meute stürzte sich auf ihn.

„Yuto.“

Er sah sie an.

„Es tut mir leid, dass ich dich provoziert habe!“, sprach sie schwach.

„Was? Aber….“, er kam mit der Situation nicht klar und fing plötzlich an schwer gegen einen Kloß im Hals anzuschlucken.

„Ich habe dich unter Druck gesetzt. Du bist wie ein hilfloses Tier von mir in die Enge getrieben worden. Selbstverständlich beisst du dann. Ich hätte es besser wissen müssen. Es lag in meiner Verantwortung. Bitte entschuldige!“

Sie reckte ihren Arm nach ihm. Er trat näher und ergriff vorsichtig ihre Hand, dann fing er an zu weinen.

„Es tut mir so leid, Dr. Shibata!“, keuchte er dann und sank auf die Knie.

Sie tätschelte sachte seinen Kopf und bat ihn, sich wieder aufzurichten.

„Wenn ich wieder draussen bin können wir einfach noch einmal von vorn anfangen, was meinst du?“

Er nickte nur, nachdem er sich aufgerichtet und neben ihr auf dem Bett platz genommen hatte. Er wischte sich die Tränen mit den Handrücken aus dem Gesicht und lächelte sie dankbar an.

Ryo lächelte freudig. "Danke, dass Sie das so sehen." sprach er freundlich. Ryo war vielleicht garnicht so gut für Yuto, wie diese Frau glaubte. Ohne Ryo wäre er mit seinem Freund sicher glücklicher und Ryo würde seinen eigenen Liebsten auch nicht betrügen. Aber das musste sie ja nicht wissen.

"Ja, es ist wirklich schön, dass er nach ihr schaut. Er überwindet seine Ängste, das ist wirklich klasse."
So sehr hatte Yuto Krankenhäuser also? Zum Glück hatte er ihn nicht allein hierhin gehen lassen. Es war sicher besser, dass Ryo zur Not da war.
"Ich studiere die meiste Zeit Fotografie und wenn ich mal nicht in der Uni sitze, dann führe ich Hunde aus. Ich hab einige Hunde, auf die ich häufiger aufpasse und mit denen ich Gassi gehe, wenn ihre Besitzer mal nicht können. Sonst unternehme ich recht gerne das ein oder andere, auch mit Yuto. Viel mehr gibt es glaube ich nicht über mich zu erzählen." lächelte er.
"Und sie haben im Ausland studiert? Wie war das so?"

„Hunde-Sitter, das ist ja lustig. Ich bin als Kind mal von einem Hund gebissen worden, daher sind mir diese Fellwesen aus der Distanz lieber. Aber manche sehen schon sehr niedlich aus, das muss ich zugeben.“, reagierte sie auf seine Erzählung.

„Ich habe Musik studiert. Piano, in Korea. Tatsächlich hätte ich es auch hier in Japan tun können, aber manchmal möchte man die Welt sehen, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Hätte ich gewusst, was hier in der Zeit passiert ist…. Nun ja. Manche Dinge lassen sich nicht ändern, nicht wahr?“

Yuto trat in die Cafeteria und sah die beiden reden, er winkte ihnen kurz zu, aber sie schienen sehr in ein Gespräch verwickelt. Er trat langsam näher.

„Da bin ich wieder.“, meinte er leise.

„Ah, wie schön. Wie geht es Dr. Shibata?“

„Soweit so gut. Wenn Sie wieder draussen ist, kann ich sie wieder als Patient besuchen.“, lächelte er sanft. Besonders an Ryo gerichtet.

„Sehr schön! Nimmst du noch deine Medikamente?“

Er sah sie an, als wolle er ihr sagen, dass das unangebracht sei.

„Ehm… verzeih. Nun ja, ich muss dann auch weiter. Ryo, es war mir eine Freude. Bitte gib weiter gut acht auf meinen Yuto, ja? Yuto, komm mich gern besuchen, hmm?“, sie streichelte ihm sanft über die Wange und räumte dann das Geschirr weg.

Er sah Ryo an und lächelte. Nun wollte er aber unbedingt hier raus.

Am Auto angekommen lächelte er erleichtert.

„Endlich! Ich hoffe meine Tante lag dir nicht zu sehr in den Ohren. Übrigens, Dr. Shibata ist mir nicht böse. Im Gegenteil. Sie meint, sie sei schuld an der Situation und sie hätte es besser einzuschätzen wissen müssen. Sie freut sich, wenn ich sie dann wieder besuchen komme.“

Er umarmte Ryo

„Danke, dass du mit mir her gekommen bist Ryo“

"Ja, leider geht das sehr schnell, dass man da eine gewisse Angst entwickelt, wenn einen einmal ein Hund gebissen hat... aber die, die ich ausführe, sind wirklich alle sehr lieb. Davon hat noch keiner jemals gebissen und die sind auch eher verschmust oder verspielt." lächelte der Blonde.
Ryo war sichtlich begeistert von der Erzählung der Dame über ihr Studium. "Sie sollten es auf keinen Fall bereuen, dass sie woanders studiert haben. Was hier passiert ist, konnten sie ja nicht ahnen und ihre Schuld ist es auch nicht. Sie sollten stolz auf ihr Studium sein und die Erinnerungen, die sie in Korea gesammelt haben, tief im Herzen tragen und wertschätzen. Nicht jeder bekommt eine so tolle Chance, nicht wahr?" lächelte er lieblich.

Wegen Kojiro hatte er selbst nie in ein anderes Land gewollt, doch hätte er sich damals nicht in ihn verliebt, hätte das alles vielleicht ganz anders ausgesehen. Er bereute jedoch die Entscheidung bei seinem Schatz zu bleiben keines Falls. Lieber studierte er hier und hatte hier seine große Liebe an seiner Seite, als alles hinter sich zu lassen und allein zu sein, nur um dasselbe Studium woanders zu absolvieren.

"Ah Yuto!" freute Ryo sich, es erleichterte ihn auch, dass er deutlich weniger aufgebracht schien. Es musste gut gelaufen sein und das freute ihn sehr.
"Das klingt super!" lächelte der Blonde.
Die Frage der Tante war vielleicht wirklich ein wenig unangebracht. Es ging Ryo ja nichts an, was der andere für Medikamente nahm und ob er diese überhaupt nahm.

"Es hat mich auch sehr gefreut. Kommen sie gut heim, ich gebe gerne auf ihn Acht."

Ryo konnte dem jüngeren deutlich anmerken, dass dieser gerne hier hinauswollte, weshalb er ihn gleich mit zum Auto nahm. "Ach Unsinn, deine Tante ist wirklich lieb." winkte der Hundesitter ab, ehe er aufhorchte.
"Na siehst du!" meinte er, als er von Yuto in die Arme geschlossen wurde. Sofort legte er seine ebenfalls um ihn und drückte ihn sanft.
"Ich hab dir ja gesagt, dass das alles halb so wild ist. Ich bin auch froh, dass du hier herkommen wolltest und ich dich unterstützen konnte."
Zufrieden lächelte er ihn an, nachdem er die Umarmung gelöst hatte. "Lust auf einen Milchshake? Ich lad’ dich ein!"
Nun war alles wieder in Ordnung, oder? Yuto würde sich doch bestimmt auch bald mit Yosuke wieder vertragen und nicht mehr vor allem weglaufen, oder?

„Milchshake? Sehr gern danke Ryo!“

Er stieg ins Auto und lächelte die gesamte fahrt über sichtlich erleichtert vor sich her. Als sie dann in einem Eiscafé sassen und er vergnügt das Getränk schlürfte sah er den Fotografen an.

„Danke Ryo!“, gab er nochmal von sich.

„Du hilfst mir dabei, meine Ängste zu überwinden, du begleitest mich in den Höllenschlund und bleibst geduldig am Rand stehen, ohne mich hinein zu stoßen und wenn ich fertig bin, stehst du da um mir deine Hand zu reichen! Das hat nie jemand für mich getan. Danke!“

Etwas später hatte sich Yuto wieder in der gemeinsamen Wohnung von ihm und Yosuke gefunden. Er sass am Tisch, als der andere herein kam und ihn überrascht und freudig anblickte. Sofort kam Yosuke näher geeilt und umarmte, den sitzenden Yuto stürmisch.

„Du bist wieder da! Das heisst, du hasst mich nicht?“

Yuto lächelte ihn an und schüttelte sachte den Kopf.

„Setz dich!“, meinte er und augenblicklich nahm Yuto Platz, er hielt aber die Hand des anderen fest umklammert.

„Wo warst du? Wie fühlst du dich?“

„Ich war hier und da und… ich fühle mich sehr gut! So gut, wie schon lange nicht mehr!“

„Das freut mich. Ich bin froh, wenn es dir besser geht und wir einfach wieder da ansetzen können, wo wir aufgehört haben. Du willst doch nicht ausziehen oder sowas, oder?“

Wieder schüttelte Yuto sachte den Kopf.

„Gut!“, freute sich Yosuke.

„Aber ich will dir auch nichts mehr vor machen. Auch mir möchte ich nichts mehr vormachen, Yosuke! Ich hasse dich nicht! Aber ich liebe dich auch nicht. Ich habe es versucht. Aber es geht nicht. Ich liebe Ryo. Mit jeder Faser meines Körpers! Seit dem ersten Mal, dass ich ihn sah. Für mich ist er der Inbegriff von Schönheit, Reinheit, Integrität und Loyalität! Er ist ehrlich, ein bisschen naiv aber von Grund auf gut. Ich liebe ihn.“

Yosuke liess die Hand des anderen aus seiner gleiten und sah ihn entrüstet an.

„Ist.. ist es… weil ich das neulich zu Koji gesagt habe… ich sagte doch, dass es mir leid…“

„Nein, das hat nichts damit zu tun. Ich weiss, dass es dir nur rausgerutscht ist. Ich wollte sauer auf dich deshalb sein, tatsächlich war ich aber sauer auf mich, weil nicht du der Betrügende bist, sondern ich.“

„A- aber… Ryo… also… liebt er dich auch?“

„Ja, aber er hat Koji.“

„Und du… hast… mich!“

Yuto sah ihn überrascht an. Hatte Yosuke nicht verstanden, was er ihm zu sagen versucht hatte?

„Es ist mir egal, ob du Ryo lieber magst als mich…“, ihm liefen die Tränen über die Wangen.
„Kannst… kannst du nicht einfach bei mir bleiben?“

„Yosuke…“

„Bitte…. Verlass mich nicht! Nicht solange Ryo Koji auch nicht verlassen würde!“

„Aber… dann leben wir eine Lüge!“

„Bitte...“, Yosukes Stimme brach ab. Er stand auf, und krallte sich an Yuto fest.

Dieser fühlte sich völlig überfordert und legte dann seine Arme um den anderen. Was passierte hier gerade? Liebte Yosuke ihn etwa so sehr???

Ryo lächelte sanft. "Natürlich, dafür sind Freunde doch da! Jeder muss seinen Weg gehen, aber niemand sollte das ganz alleine tun müssen."
Der Blonde sah es als selbstverständlich an, dass er für Yuto da war. Was wäre er für ein Freund, wenn er ihn in seinen schwersten Momenten alleine lassen würde?

Er setzte ihn nach dem ganzen Herumgefahre schließlich Zuhause ab und fuhr selbst Heim.
Koji wartete bereits auf ihn, er hatte gekocht und freute sich, dass Ryo genau zur richtigen Zeit kam.
"Yuto ist wieder aufgetaucht und es geht ihm besser! Ich hab ihn zu seiner Therapeutin ins Krankenhaus gebracht, damit er sich selbst davon überzeugen kann, dass alles in Ordnung ist." lächelte Ryo freudig, während die aßen.

"Dann bin ich beruhigt. Ich hatte schon Sorge, dass er nicht mehr auftaucht und wir alle uns ewig Sorgen machen müssen. Es ist gut, dass alles geklärt ist." Koji klang zwar schon erleichtert, aber irgendwas schien ihn auch zu stören. Ob er immer noch eifersüchtig wegen Yuto war? Wie könnte er ihm das verübeln?

"Naja ich bin jedengalls sehr froh, dass jetzt alles wieder beim Alten ist und es allen gut geht und ich bin froh, dass ich Zuahuse bin!"

Sie aßen gemeinsam und tatsächlich gab es zum krönenden Abschluss noch zwei Runden im Bett. Nun war wieder alles gut, nicht wahr?

Ryo ging wie gewohnt am nächsten Morgen zur Uni und kümmerte sich dort um seine Fotografien.

Yosuke hatte den restlichen Abend damit verbracht, Yuto zu überzeugen, dass sie zusammenbleiben sollten, solange auch Ryo und Koji zusammen blieben.
Er kochte, liess Yuto ein Bad ein, schrubbte ihm den Rücken, massierte ihn, kämmte ihm die Haare und schenkte ihm dauernd Küsse oder Umarmungen. Er hatte auch versucht im Avancen zu machen, aber Yuto war wie versteinert. Er hatte alles mit gemacht, aber nichts dazu gesagt. Er war völlig überfordert. So leicht und befreit, er sich nach dem Krankenhaus gefühlt hatte, so sehr fühlte er sich jetzt wie in einem goldenen Käfig.

Auch in der Nacht hatte sich Yosuke an Yuto gekrallt und liess ihm kaum Platz zum atmen.

Yuto lag lange wach und starrte an die Decke. Er war so erschlagen von diesem Tag, dass er selbst zum denken zu müde war. Hin und wieder tauchte Ryo vor seinem geistigen Auge auf. Das Lächeln des Studenten, die Güte, die Hilfsbereitschaft.

Mit diesen Gedanken schlief er dann auch irgendwann endlich ein.

Yosuke hatte die Wohnung früh verlassen und war unterwegs.
Als er an seinem Ziel angekommen war, erkundigte er sich zweimal bei anderen Leuten, bis er fündig wurde. Dort war die Tür zu Ryos Atelier.

Er atme schwer aus, als er die Türklinke betätigte und eintrat. Vorsichtig sah er sich um, dann sah er den blondierten Mann.

Leise räusperte er sich um die Aufmerksamkeit des Fotografen zu erhalten. Als er diese bekam lächelte er müde.

„Hi…“, kam es kurz aus ihm, denn seine Stimme brach ab. Erneut räusperte er sich und schluckte gegen den Kloss in seinem Hals und die aufkeimenden Tränen in seinen Augen an, dann trat er zwei Schritte auf Ryo zu und meinte hastig:

„Bitte nimmer mir Yuto nicht weg! Bitte. Ich liebe ihn und ich möchte nicht, dass er mich wegen dir verlässt!“

Ryo hatte keine Ahnung, wer ihn heute so spontan besuchen würde. Er bearbeitete gerade eines der Fotos von Yuto, welches ihm besonders gut gefiel, als die Tür zu seinem Atelier sich öffnete. Erst machte er noch zwei letzte Klicks, da hörte er ein Räuspern. Das war eindeutig nicht Yuto und auch nicht Koji... aber wer dann?
Ryo blickte lächelnd zur Tür, ehe er erkannte, wer da stand. "Yosuke..?" gab er verwundert von sich. Hoffentlich ging es Yuto gut! Ryo sah ihn besorgt an, stand gleich auf und bewegte sich ebenfalls auf ihn zu. "Hey...Was ist denn passiert?" fragte er, als er bemerkte, dass Yosuke den Tränen nahe war.
Die Worte waren unerwartet, jedoch eher erleichternd. Es schien nichts Schlimmes passiert zu sein, Yosuke hatte nur Sorge, dass Ryo ihm Yuto ausspannen könnte.
Der Blonde kam näher, legte Yosuke eine Hand auf die Schulter und sah ihm in die Augen. "Yosuke... Ich habe Koji, schon vergessen? Ich liebe ihn und ich habe nicht vor ihn zu verlassen, wieso also glaubst du, dass ich dir Yuto wegnehmen möchte?" Seine Stimme war ruhig und besorgt. Ob Yuto etwas zu ihm gesagt hatte? Ryo ging zur Tür, um diese zu schließen. "Setz dich erstmal, ja?" Er deutete auf die kleine Couch, die in dem Raum stand. "Erzähl mir, was los ist, damit ichs verstehe. Bitte."

Yosuke war tatsächlich der Letzte, den er je hier erwartet hätte, als Gast zu empfangen. Yuto musste mit ihm gesprochen haben, das war sicher. Ryo konnte nur hoffen, dass das alles seine Beziehung zu Koji nicht schon wieder so heftig belasten würde. Wieso ließ er Yuto überhaupt noch so nahe an sich ran? Es wäre wohl wirklich besser, wenn er den Kontakt zu ihm abbrechen würde, seiner Beziehung zuliebe. Andererseits brauchte Yuto ihn. Er war zerbrechlich und hilflos ohne den Blonden, oder nicht? Ryos Gefühle für ihn waren jedoch genauso gefährlich wie das, was sie miteinander getrieben hatten. Der Student verstand Yosukes Bitte nur zu gut. Würde jemand ihm augenscheinlich Koji ausspannen wollen, würde er wohl ähnlich reagieren.

Yosuke sah schluchzend zu, wie Ryo die Tür schloss, dann nahm er Platz, auch wenn er überhaupt nicht begreifen konnte, wie der Blonde so ruhig Beilen konnte.

Sitzend kramte er nach einem Taschentuch in seiner Tasche, dann tupfte er sich Augen und Nase trocken.

„Entschuldige… ich muss erbärmlich aussehen!“, hatte er verlegen gesagt und lachte kurz hilflos auf.

Dann fasste er sich ein Herz und berichtete, was gestern vorgefallen war, wie er Yuto am Tisch sitzend antraf und dieser ihm gestand, dass er Ryo liebte und die Beziehung daher nicht mehr aufrecht erhalten wollte oder konnte. Auch erzählte er von den Worten, die Yuto über Ryo äusserte.

„Ich habe ihn die ganze Nacht angefleht, mich nicht zu verlassen. Zugegeben, ich glaube, ich habe ihn damit überrumpelt und vielleicht auch überfordert… aber… Ich will ihn nicht verlieren.“

Wieder begannen sein Kinn und seine Stimme zu beben.

„Ich weiss nicht was ich tun soll, darum… bin ich hierher gekommen um dich zu bitten, ihn mir nicht wegzunehmen! Du bist viel schöner und netter als ich, das weiss ich. Ich kann ihm nicht verübeln, dass er dich liebt… aber… bitte…. Bitte halte dich von ihm fern.“

Er sah ihn flehend an.

***

Yuto wurde wach, legte sich auf die Seite und starrte ins Nichts. Ihm fielen die gestrigen Eindrücke wieder ein. Er lächelte über Ryos Herzlichkeit und runzelte die Stirn bei den Gedanken an Yosuke und wie er ihn nicht gehen lassen wollte.

Er hatte ja noch nicht einmal gesagt, dass er mit Ryo zusammen sein wollte, er hatte nur gesagt, dass es nicht ehrlich wäre, Yosuke etwas vorzuspielen… oder zumindest, waren seine Worte diese Intension.

Genau genommen wusste er selbst noch nicht, wie er weiter machen wollte… aber nun fühlte er sich wirklich hilflos.

Ob er Ryo fragen sollte, wie er damit umgehen soll?

Er stand auf, ging duschen und entschied sich, zu Ryo ins Atelier zu gehen. Er würde doch sicherlich einen Rat für ihn haben, oder?

Ryo winkte leicht ab. "Mach dir darüber mal keine Sorgen." lächelte er sachte. Wenn es um die Liebe ging, die man möglicherweise verlor, dann war es sicherlich normal, dass man so fertig aussah. Für Ryo sah Yosuke nicht erbärmlich aus, er drückte nur aus, was er fühlte. Am liebsten hätte er das sogar in einem Foto eingefangen, denn es war selten, dass man so starke Emotionen in einem Foto einfangen konnte.

Yosukes Worte versetzten Ryo ein Stich ins Herz. Es fühlte sich an, als würde diese Situation seine Beziehung zu Koji viel mehr bedrohen, als ohnehin schon. Yuto hatte Yosuke also gesagt, dass Ryo ihn ebenfalls liebte? Wenn Koji davon erfahren würde, dann wäre es sicher aus mit ihnen. Was sollte er sagen? Wie sollte er mit dieser Situation umgehen?

Ryo schluckte schwer, wirkte auch schon gar nicht mehr so ruhig wie vor diesen Aussagen und tatsächlich spürte er vor Aufregung ein unangenehmes Zittern in seinem ganzen Körper. Er konnte unmöglich riskieren, Koji zu verlieren! Es wäre für ihn wahrscheinlich sogar noch schlimmer als für Yosuke das mit Yuto, immerhin waren sie schon Jahre lang zusammen und Ryo hatte ihm sein Leben verschrieben. Wie konnte er nur überhaupt jemals etwas mit Yuto anfangen? Wieso war dieser Idiot ihm so nahe gekommen und hatte ihn so sehr in seinen Bann gezogen? Ryo hätte das alles niemals zulassen dürfen, dann wären alle für sich immer noch glücklich.

"Yosuke... zuerst möchte ich dir sagen, dass dein Selbstbild völlig falsch ist. Du siehst toll aus und du bist so ein herzensguter Mensch. Du bist nett und liebevoll und ich muss dir sagen, dass du verdienst, aufrichtig geliebt zu werden."
Tief seufzte Ryo. "Ich weiß nicht, ob du nicht daran zerbrichst, wenn du mit Yuto zusammen bleibst. Wie stellst du dir eine Beziehung mit einer einseitigen Liebe denn vor? Früher oder später wird Yuto gehen müssen, wenn er diese Gefühle nicht entwickelt. Ich sage das nicht, weil ich dich von ihm loshaben will, damit ich ihn ohne schlechtes Gewissen haben kann, keine Sorge. Ich habe Koji und ich liebe Koji noch immer. Yuto....also... Ich habe zwar Gefühle für ihn, aber ich bin nicht dazu bereit, Koji zu verlassen, um mit Yuto zusammen zu sein. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber es sind zwei völlig unterschiedliche Gefühle. Koji und ich sind schon so lange zusammen und ich würde ihn für nichts auf der Welt aufgeben wollen, hörst du? Ich will dir Yuto nicht wegnehmen. Ich kann dir aber auch nicht versprechen, dass ich mich von ihm fernhalte, denn ich glaube, dass Yuto mich braucht. Ich möchte für ihn da sein und ihm helfen, sich selbst zu finden, ihn aufbauen und ihm ein guter Freund sein, mehr nicht."
Der Blonde gab sich größte Mühe ruhig und ehrlich zu sprechen, doch das Zittern in seiner Stimme konnte er nicht verhindern.

(Ups, Missverständnis. Es wurden nichts über Ryos Gefühle zu Yuto gesagt. Aber sehr gut, spielt mir in die Karten)

Yosuke hörte sich die Worte des anderen an und merkte, wie diese eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte. Zu hören, dass Ryo Koji nicht verlassen wollte, war eine wertvolle und hilfreiche Info. Doch dieses kleine bisschen Sicherheit wurde ihm direkt wieder genommen, als er hörte, dass Ryo wohl auf Gefühle für Yuto hatte. Alles, was er danach sagt, schien überhaupt nicht mehr bei Yosuke anzukommen.

Er sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Trat sogar einen Schritt zurück.

„Du… hast also auch Gefühle für Yuto?“, die Hand, die das Taschentuch umklammerte begann leicht zu zittern.

„Es ist also nicht einseitig? Das bedeutet… ihr habt uns also tatsächlich… die ganze Zeit… an der Nase herumgeführt???“, brach es nun aus ihm.

Noch einen Schritt trat er zurück.

„Das mit dem Partnertausch…. War das … war das…. Damit ihr miteinander ficken könnt, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen?“, seine Stimme überschlug sich.

„Wessen Idee war das? Seine? Deine???“, Yosukes Stimme wurde nun laut und er klang schon fast hysterisch. Zahlreiche Tränen flossen ihn über die Wangen zum Kinn.

Egal was der Fotograf noch zu erklären versuchte, Yosuke sprach sich in seiner Verzweiflung selbst weiter in Rage.

„Du kannst Koji gar nicht so sehr lieben, wenn du ihn betrügst! So ein netter Mensch bist du also doch nicht! Schämen solltest du dich! Yuto ist so hilflos… gib doch einfach zu, dass du ihn verführt hast! Dass dir alles egal ist!!!“


*****

Yuto war bereits auf dem Weg zum Atelier. Er war sich sicher, dass Ryo einen guten Rat für ihn hatte. Er wollte nicht, dass irgendwer verletzt wurde, auch wenn ihm bewusst war, dass er Yosuke wohl weh getan hatte. Aber ihm lag es fern, ihm oder sonst jemandem etwas vorzuspielen. Wie sollte er also mit allem umgehen?

Ryo verstummte einen Moment, als er realisierte, dass Yuto seinem Freund wohl nicht gesagt hatte, dass auch er gewisse Gefühle hegte. Verdammt! Er hätte das unter keinen Umständen sagen dürfen. Alles, was er bisher gesagt hatte, um Yosuke zu beruhigen war sinnlos gewesen. Er hatte sich selbst mehr reingeritten, als Yosuke Sicherheit zu geben. Wie konnte er nur davon ausgehen, dass Yuto ihm das ohnehin berichtet hatte?!

"Nein! Yosuke du verstehst das falsch!" gab Ryo gleich von sich. "Ich habe doch gerade gesagt, dass es ANDERE Gefühle sind, als die, die ich für Koji habe!"
Gott, wie sollte er da wieder rauskommen?!
"Yosuke! Beruhig dich bitte!" auch Ryo wurde etwas lauter, immerhin wurde Yosuke immer lauter und hysterischer. "Der Partnertausch war nicht deswegen! Wir wollten es doch alle so! DU warst es doch, der zu Koji dabei gesagt hat, dass er ihn lieben würde! Glaubst du das hat mir gefallen?! Sicher nicht! Tu nicht so, als wärst du ein Opfer in dieser Situation gewesen!"
Es war eine absolute Frechheit, dass Yosuke behauptete, dass Ryo seinen Freund nicht lieben wüde.
"Es reicht!" schrie er nun. "Was glaubst du, wer du bist, dass du mir sagen kannst, ob ich Koji lieber oder nicht?! Ich liebe Koji und Koji liebt mich! Ich habe Yuto weder verführt noch sonst irgendwas. Nichts davon ist mir egal, sonst würde ich mich doch nicht um Yuto und jetzt sogar um dich kümmern! Kein Mensch ist perfekt, auch du nicht!" fuhr er ihn an, wobei er ihm dabei immer näher kam und ihm fest in die Augen sah. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und seine Hände zu Fäusten geballt.

Yuto war am Atelier angekommen, als er Ryos laute Stimme bis nach draussen hörte.
Was war denn dort los?

„Ich hab`nie behauptet perfekt zu sein, aber ich habe mich wenigstens für mein Verhalten entschuldigt….“, schnauzte Yosuke den Blonden an.

Nun öffnete Yuto die Tür und sah die beiden Männer voreinander stehen.

Nie hatte er Ryo wütend gesehen, das war ein komplett neues Bild und auch irgendwie beunruhigend! Aber auch Yosuke sah alles andere als amüsiert aus, nur dass dieser obendrein ein völlig verheultes Gesicht hatte.

Kurz wusste Yuto nicht, was er sagen oder wie er reagieren sollte, er starrte die beiden nur an.

„Das war ja klar!“, zischte Yosuke.

„Was tust du hier?“, fragte Yuto ihn nun.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er dann an Ryo gerichtet.

Yosuke, wollte einfach nur an ihm vorbei, zischte dabei „Mit deinem lover reden… aber mich wundert es nicht, dass du gleich zu ihm gerannt kommst, sobald du die Augen aufschlägst! Konntest es wohl gar nicht erwarten, was?“

„Moment….“, Yuto hielt ihn am Handgelenk fest, blickte dann nochmal zu Ryo.

„Es tut mir leid, Ryo, dass ich dich da in etwas hineingezogen habe. Ich kläre das mit Yosuke!“

„Ach, er ist jetzt das Opfer??? Was ist mit mir??? Häh? Was ist mit mir???“, keifte Yosuke und versuchte sich aus dem Griff zu befreien.

„Yosuke! Hörst du dir selbst eigentlich zu?“, grollte nun Yuto mit einer Eiseskälte, die sein Gegenüber regelrecht erstarren ließ. Yosuke sah ihn mit grossen Augen an und wehrte sich nicht weiter.

Yuto ließ von ihm ab und sah ihn ernst an.

„Ich habe dir offen von meinen Gefühlen berichtet und das Erste das du tust, ist hier her kommen und was? Ryo belästigen? Ich bin her gekommen, weil ich mit Ryo reden wollte und einen Rat erbitten wollte. Ich hatte gehofft….. Gott...“

Yuto griff sich an die Stirn. Diese Situation war ja noch verzwickter, als er befürchtet hatte.

Ungewollte sammelten sich Tränen in seinen Augen.

Er blickte von Ryo zu Yosuke und zurück.

„Es tut mir so unendlich leid! Ich wollte niemals jemandem weh tun!“, meinte er dann mit bebender Stimme.

Er richtete sich dann wieder an Yosuke:

„Ich wollte dir nicht weh tun, aber ich wollte ehrlich zu dir sein, Yosuke. Ryo kann doch nichts für meine Gefühle und genauso wenig, kannst du was für meine Gefühle. Du hast überhaupt nichts falsch gemacht, Yosuke. Nichts. Du bist ein wunderbarer Mensch. Ich kann allerdings auch nichts für meine Gefühle, verstehst du? Natürlich würde ich am Liebsten mit Ryo in den Sonnenuntergang reiten, aber weisst du was? Er liebt Koji! Er würde Koji niemals verlassen und schon gar nicht für jemanden wie mich! Ich bin ein Wrack, Yosuke. Ich bin ein Wrack und ich…. Ich wollte nur eine Lösung finden…. Für alle…. Aber... aber… die… gibt es wohl nicht. Denn egal, was ich tue, ich hinterlasse immer nur ein Feld voller Asche!“

Er begann zu schluchzen und sank auf die Knie.

Der Mann, der beide körperlich überragte, sackte einfach in sich zusammen und weinte bitterlich.

Yosuke war völlig perplex. Ihm tat nun auch leid, was er gesagt hatte, er sah Yuto und Ryo an und ging dann auch auf die Knie um seinen Schatz zu trösten.

Plötzlich gab Yuto keinen Ton mehr von sich und er sackte weiter in sich zusammen.

Hatte er das Bewusstsein verloren??

„Yuto?… Yuto!!!! Ryo!!???“, kam es entsetzt und hilfesuchend von dem Kellner.