Ryo holte sofort sein Handy hervor, als es vibrierte. "Oh, dann wünsche ich dir eine gute Besserung und hoffe, dass du bald fit genug bist für ein paar schöne Fotos!" schrieb er zurück. Schade...gestern hatte Yuto doch noch so fit und gesund gewirkt.... Hoffentlich war es nichts schlimmes!

"Ryo? Du siehst gekränkt aus!" stellte sein Lehrling fest. "Ach...mein Model für morgen ist wohl krank und sagt mir nachher bescheid, wies aussieht." seufzte er. "Ich hab so viele Ideen, ich explodiere, wenn ich die nicht irgendwann mit ihm umsetzen kann!" jammerte der Student. Er wurde angegrinst. "Achso? Was denn für Ideen? Ich kann doch für dich Modell stehen als Dank dafür, dass du mir immer hilfst!" lächelte er nett. Ryo schüttelte aber den Kopf. "Ich kann gern mal ein paar Fotos von dir machen...aber die Ideen die ich im Kopf habe passen wohl sehr gut zu Yuto.. Er wird das bestimmt super umsetzen!"

Ryo war wirklich sicher, dass Yuto sich gut anstellen würde.

Yuto musste augenblicklich lächeln, als er die Antwort so schnell erhielt.
„Danke. Ich melde mich, Y.“

Er blieb noch eine Weile liegen und fragte sich, ob sich die Dinge in seinem Leben, sein gesamtes Leben, nun vielleicht ändern würde. Vielleicht war das eine Art Hoffnungsschimmer, der Anfang eines Neuanfangs.

Der Tag verging recht schnell und doch hatte der 21-jährige das Gefühl, dass es ewig dauerte, bis er endlich bei Dr. Shibata dran kam. Er hatte im Wartezimmer, in dem er noch nie jemanden sitzen sah, Platz genommen und wartete, bis die Psychologin ihn selbst abholte und in ihr Behandlungszimmer bat.

„Wie geht es Ihnen nun, Yuto? Ihre Tante hatte mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie einen Zusammenbruch hatten.“

„Einen Zusammenbruch?“, gab er sichtlich überrascht von sich.

„Ich… ich hatte einen Traum, von dem mir übel wurde und ich habe mich übergeben… aber… als Zusammenbruch würde ich das nicht bezeichnen!“

„Gut, verstehe. Es ist schon eine Weile her, seit dem letzten Vorfall.“, sie blätterte in ihren Aufschrieben. „Fast drei Monate….“, sie blickte ihn besorgt an.

„Haben Sie eine Idee, was das ausgelöst haben könnte?“

Er überlegte, bevor er dann die Umstellung ins Arbeitsleben vorschlug.

„Wie geht es Ihnen in Ihrem neuen Job?“

„Ganz gut, es macht fast schon Spass!“

„Fast?“

„Ihm, es ist jetzt nicht das, was ich mir für den Rest des Lebens vorstellen könnte… aber für jetzt ist es ganz okay.“

„Wie fühlen Sie sich bei der Arbeit… an der Tankstelle, richtig?“

„Ja, genau. Ich fühle mich… als hätte ich eine Aufgabe.“

„Das ist doch gut! Wenn man das Gefühl bekommt, das was man tut, ist von Bedeutung und ergibt irgendwie Sinn, dann ist das ein wunderbarer Anfang. Und wer weiss, vielleicht können Sie sich dann auch langsam steigern. Wie sind die Kollegen, das Umfeld? Sind die Menschen, auf die sie treffen freundlich?“

„Alle sind eigentlich ganz nett. Niemand, der besonders auffallen würde, oder so…“

„Sie fühlen sich auch niemanden bedrängt oder dergleichen, verstehe ich das richtig?“

„Ja. Ein Kunde war etwas anders als die anderen… aber nicht im negativen Sinne…“, Yuto lächelte leicht.

„Inwiefern? Der Kunde war besonders freundlich?“

„Ja, er hat mich gefragt, ob ich für ihn Modell stehen möchte.“

Dr. Shibata sah ihn überrascht an und lächelte ebenfalls, dann notierte sie und hakte nach:

„Wie kam das bei Ihnen an, Yuto?“

„Ich dachte er will mich verarschen… Entschuldigung… Also, dass er mich veralbern will…. Ich hatte erst abgelehnt.“

„Erst?“

„Er kam am nächsten Tag wieder und hatte nochmal gefragt. Er gab mir das Gefühl, dass er so lange kommen würde, bis ich zusage. A-Aber nich in einer schlimmen Form… eher, im Guten. Er macht einen sehr freundlichen und aufgeweckten Eindruck.“

„Und, haben Sie ihm nun zugesagt?“

„Meine Tante meinte, ich solle das mit Ihnen absprechen. Sie selbst denkt wahrscheinlich, dass es mir zu viel werden könnte und das mit heute morgen hat sie wahrscheinlich noch darin bekräftigt.“

Er sah sie nun fragend an, so als ob er um Ihre Erlaubnis bitten würde. Ihr war dies natürlich nicht entgangen, sie lächelte wieder und fragte dann:

„Wie sehen Sie das denn? Denken Sie, dass es Ihnen zu viel werden könnte?“

Er schüttelte den Kopf.

„Yuto, Sie sind ein erwachsener, junger Mann, der sicherlich selber einschätzen kann, was ihm zu viel wird, und was nicht. Sie können es ja auch einfach nur erst einmal probieren. Wenn Sie dann merken, dass belastet Sie zu sehr, dann können Sie sicherlich auch absagen. Aber ich sage Ihnen etwas, nicht als Ihre Therapeutin, sondern als Mensch zu Mensch. Manche Gelegenheiten bieten sich nur einmal an und wenn man sie nicht nutzt, hat man vielleicht die Tür, zu einer ganz neuen Welt verschlossen.“

Sie blickte ihn an. Er sah nachdenklich aus.

„Nehmen Sie denn regelmäßig Ihre Medikamente?“

Er nickte.

„Gut, dabei sollten Sie auch auf jeden Fall bleiben. Ich schlage vor, dass Sie vielleicht sehen, wie Sie diese Nacht schlafen und wenn Sie keinen Zwischenfall haben, probieren Sie sich aus.“

Yuto lächelte leicht gequält und doch zufrieden. Er hatte also ihren Segen. Das war doch gut, oder?

„Jetzt würde ich gern mit Ihnen über Ihren Traum sprechen.“

Als er am Abend dann wieder zu Hause am Landhaus angekommen war, fuhr auch gerade der Wagen seiner Tante vor.

Er berichtete Ihr, dass er das Okay von Dr. Shibata hatte und sie nickte einfach nur, strich ihm sanft über die Wange und hoffte, dass es nicht zu viel für ihn werden würde.

„Ich mach uns was zu essen.“, meinte sie dann und begab sich in die Küche.

Yuto ging in sein Zimmer und nahm sein Handy zur Hand. Jetzt hatte er wirklich von allen Seiten den Segen erhalten! Er wusste zwar nicht, wieso er so sehr darauf gehofft und gewartet hatte, aber es fühlte sich nun so an als könne er Ryo endlich richtig zusagen.

„Hi Ryo, also, wo soll ich wann sein? Gruss, Y.“

Der Student verbrachte seinen Tag schließlich doch damit den anderen zu fotografieren. Er nutzte es, um ihm zu zeigen, was Lichtverhältnisse, verschiedenes Blitzequipment, unterschiedliche Linsen und all der andere Kram tatsächlich für eine Wirkung hatten. Es war wichtig sowas als Fotograf zu wissen, so konnte man immer die passenden Dinge im passenden Moment einsetzen und die perfekten Bilder erschaffen.

Es war ein recht produktiver Tag, auch für Ryo selbst. Er hatte noch ein paar neue Dinge ausprobieren können und nun fühlte er sich noch viel bereiter Yuto richtig in Szene zu setzen. Ryo hoffte so sehr, dass der junge Tankstellenangestellte nicht absagen würde! Er konnte ja schlecht ewig nur an der Tankstelle rumhängen und ihn überreden!
Endlich kam die Nachricht und er strahlte sofort! Das war doch wunderbar! "Wann immer du kannst! Am besten zur ******Uni und von hier aus können wir erstmal im Studio starten und später dann ins Freie! Sag mir einfach bescheid, sobald du wieder gesund bist! Ich freue mich! Ryo." schrieb er zurück. Der Student war ganz aus dem Häuschen! Es war wirklich super, wenn man das perfekte Model für sich fand, mal abgesehen von Koji. Freudestrahlend bearbeitete er das Bild weiter, ehe er doch nochmal das Handy zur Hand nahm. "Ich kann dich auch gern mit dem Auto abholen! Ganz vergessen!" schickte er rasch hinterher.

Yuto hatte das Handy mit runter in die Küche genommen und gerade als er den Tisch decken wollte, vibrierte es auf dem Tisch. Hastig griff er danach und las die Nachricht. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Ryo schien wirklich nett zu sein.

„Ich meld mich nachher nochmal, ok? Mach grad Essen.“, tippte er schnell. Er wollte den anderen nicht einfach so warten lassen. Also half er seiner Tante.

Während sie aßen sah sie ihn argwöhnisch an.

„Was ist das denn eigentlich für einer, für den du Modell stehen sollst? Ich hoffe kein alter gruseliger Perverser!“, meinte sie und kicherte anschließend.

„Nein, er ist Student. Viel mehr weiss ich auch noch nicht… nur dass er wirklich hässliche Hunde hat!“

„Hunde?“, lachte sie auf und freute sich aber, dass sie seit langem wieder eine Art Licht in seinen Augen sah.

Nachdem aufgeräumt war ging er dann in sein Zimmer und legte sich auf’s Bett.

Er überlegte, was er nun schreiben konnte.

„Hi Ryo, danke für dein Angebot. Ich habe morgen einen freien Tag, wenn es in Ordnung ist, könnten wir uns an der Tankstelle treffen und ich steige dann bei dir ein? Ich wohne etwas außerhalb und das wäre schon eine große Hilfe! Viele Grüße, Yuto."

Er las seine Nachricht noch dreimal, bevor er sie endlich für angemessen empfand und schickte sie ab.

Ryo freute sich sehr, dass Yuto sich immer so rasch meldete, auch wenn es nur eine Nachricht war, die ihn auf später vertröstete. "Koch nächstes Mal für mich mit!Haha! Guten Appetit!" schrieb er also noch zurück. Er war unglaublich gespannt auf die Zusammenarbeit mit dem Jungen. Das würde ganz sicher super werden! Hoffentlich waren sie auch so kompatibel, wie er es sich vorstellte.... und hoffentlich fühlte Yuto sich damit wohl von ihm abgelichtet zu werden!

Als die Antwort des anderen endlich kam, war Ryo bereits Zuhause und kochte mit seinem Freund. "Oh!" rasch schnappte der Hundesitter sich das Handy, um die Nachricht des Tankwartes zu lesen. Sofort begann er zu strahlen und antwortete: "Klingt super! Schaffst du es um 8 da zu sein?" schrieb er zurück. Koji zog die Augenbrauen zusammen, ehe er Ryo von hinten umarmte und ihn eng an sich drückte. "Ich mag nicht, wie sehr du strahlst, wenn du seine Nachrichten ließt." gab der etwas größere zu. Ryo strich ihm über die Arme, lächelte sanft. "Du musst dir keine Sorgen machen...du bleibst mein Lieblingsmodell~" schnurrte er, drehte sich dabei in Kojis Armen um.
Koji sah allerdings nicht sonderlich befriedigt aus nach dieser Antwort. "Es geht mir nicht um die Fotos... Ich will nicht, dass du dich in jemand anderen verguckst." Koji wählte bewusst diese Worte... Er wollte nicht direkt von verlieben sprechen...aber Ryo wirkte ja schon fast verknallt! Ryo lachte auf, küsste seinen Freund und strich ihm über die Wange. "Unsinn...ich liebe dich und das wird auch ein kleiner Yuto nicht ändern können... Ich freu mich einfach nur so sehr, dass ich endlich wieder ein neues Motiv ablichten kann, das ist alles." Er lächelte ihn liebevoll an. "Yuto ist dir kein Stück ähnliches...er ist nett, aber wirkt eher stumpf...du bist perfekt so wie du bist! Wieso sollte ich mich für jemand anderes entscheiden?"

Natürlich führte auch dieses Gespräch wie jeden Tag zu Sex, nachdem sie sich schon fast gestritten hatten. Im Endeffekt war es auch heute nicht anders wie fast jeden Tag. Koji war anscheinend wirklich eifersüchtig....dabei hatte Ryo den Kerl doch bloß ein paar Mal an der Tankstelle angesprochen! Sie kannten sich doch garnicht wirklich!

Der Student ging schließlich duschen, wobei er sich ein paar Posen und Hintergründe für Yutos erste Fotos überlegte. Er wollte ja, dass der Junge sich sicher und wohl fühlte.

„8 Uhr schaffe ich! Dann bis morgen, Y.“, tippte er sofort und schickte sie ab.

Er lag eine ganze Weile da und fragte sich, was er wohl als Modell machen musste. Er durchblätterte einige Seiten online und machte hier und da einige Fratzen nach. Fand das dann aber doch eher lächerlich und dann sah er viele Bilder mit Männern, deren Oberkörper nackt waren.

Innerlich schrak er leicht auf. Was, wenn Ryo auch wollen würde, dass er fast nackt sein würde?

Yuto stand auf, ging ins Bad und zog sein Oberteil aus. Vor dem Spiegel betrachtete er sich. Er betrachtete sie. Drehte sich dabei und nahm sie nicht aus dem Blick. Sie, die für immer seine hässliche Begleiterin sein würde. Der Beweis für all das Schreckliche, das ihm widerfahren war.
Die Narbe reichte von seiner linken Brust über sein Schlüsselbein und teilte sich an seiner Schulter in eine weitere. Die eine reichte ihm fast bis zum rechten Schulterblatt und die andere bis zur Mitte seines Rückens. Nur langsam drehte er sich wieder um, berührte sie kurz und folgte im Spiegel der Berührung. Dann sah er direkt auf seine Haut. Diese scheußliche Narbe, die fast ein Finger breit war und in dieser seltsamen dunkelrosa Farbe auf seinem Körper prangte.

Er atme geräuschvoll aus, dann ging er zurück in sein Zimmer, zog sein Oberteil wieder an und war niedergeschlagen.

„Ich bin nicht sonderlich modisch ausgestattet. Ist es okay, wenn ich ganz normal komme?“, schrieb er.

Zu gern hätte er gefragt, ob er „oben ohne“ abgelichtet werden sollte und das ihm das unangenehm sei. Aber er wagte es nicht.

Seine Hand legte sich auf seine Brust und mit den Fingerspitzen fuhr er über die Linie zu seinem Schlüsselbein.

Ryo hatte keine Ahnung von Yutos Sorgen! Er hatte natürlich auch nicht vor ihn oben ohne abzulichten... Bei Koji war das noch was vollkommen anderes, der war sein Freund und ihn fotografierte er sogar so ziemlich ganz ohne Kleidung. Vor allem war es ihm besonders wichtig, dass seine Modelle sich wohl fühlten und nichts taten, was ihnen unangenehm war. Der Student war da sehr bedacht und wusste auch, dass die schönsten Bilder nur dann entstanden, wenn sich beide wohl und sicher fühlten. Schlechte Stimmung, extreme Unsicherheit oder wenn sich jemand unwohl fühlte waren Gift für ein Fotoshooting, deshalb wollte er sowas lieber klein und langsam angehen.

Ryo freute sich sehr darüber, dass es schon morgen so weit sein würde! Während er noch ein wenig mit Koji schmuste las er nämlich erst die Nachricht, dass Yuto es schaffen würde... und das nur, weil sein Handy wegen der zweiten Nachricht vibriert hatte. "Zieh an worin du dich am wohlsten fühlst. Ich bring dir erstmal ein paar Dinge bei, die du vor der Kamera gebrauchen kannst und du kannst dich erstmal dran gewöhnen abgelichtet zu werden! Später können wir immer noch schauen, ich hab auch einiges noch herumliegen, was sich sicher gut für Fotos eignet. Sei ganz entspannt und mach alles so, dass du dich wohl fühlst " schrieb er ihm rasch zurück, ehe Koji ihm genervt das Handy abnahm und es aus seinen Nachttisch legte. "Ist der Junge jetzt so wichtig, dass du selbst jetzt mit ihm schreiben musst?" hörte er seinen Freund. "Naja... ich hab nur mit ihm abgeklärt, wann wir uns treffen und er hat gefragt, was er anziehen soll...das sollte er schon wissen, bevor er morgen los muss....tut mir leid." Ein sanfter Kuss folgte. "Ich lass das Handy jetzt auch liegen!" versprach er rasch. Sie stritten diesmal zum Glück nicht wieder sondern schliefen einfach nur ein.



Früh am Morgen hüpfte Ryo aus dem Bett, voller Energie und Ideen! Er war total aufgeregt! Es war so ein toller Gedanke, dass er es geschafft hatte Yuto zu überreden und gleich bereits anfangen konnte! Schnell sprang er unter die Dusche, stylte sich ein wenig und zog sich ebenfalls normal an, so wie es für ihn bequem war. Immerhin war es auch wichtig, dass er sich problemlos bewegen konnte, wenn er mal in die Hock ging oder ähnliches. Freudestrahlend bereitete er das Frühstück für Koji und sich vor und aß dieses dann gemeinsam mit ihm. Sie unterhielten sich über dies und das und irgendwie endeten sie doch wieder im Bett. Vielleicht lag es einfach daran, dass Ryo so gut drauf war und sie auch ein wenig über gewisse Dinge gesprochen hatten, was sie zum Sex angespornt hatte... Aber nun war das Duschen und das Styling total für die Katz gewesen! Der Student kuschelte sich mehr an die Brust seines Freundes, genoss die Nähe...doch wie spät war es eigentlich?! Ryo sprang auf, als er auf der Uhr sah, dass es bereits 5 vor 8 war! "Shit!" Er rannte ins Bad, machte sich untenrum wenigstens schnell sauber, zog sich wieder an, gab Koji einen Kuss und rannte dann zum Auto. "Ich bin gleich da! sorry!" schrieb er Yuto. Mit 10 Minuten Verspätung und recht abgehetzt erschien er dann an der Tankstelle.

Shit. Er hasste es zu spät zu sein. Im Normalfall wäre er wohl schon um aller spätestens 7:40 Uhr da gewesen! Das hinterließ bestimmt einen beschissenen Eindruck bei seinem Modell. Hastig hielt er Ausschau nach dem Jungen, den er hier abholen wollte.

Yuto war erleichtert über die Nachricht des anderen. Er könne also anziehen, was er wolle, Hauptsache er fühlte sich wohl. Er blickte hinüber zu seinem Kleiderschrank. In was fühlte er sich eigentlich wohl?

„Okay, danke. Bis morgen dann. Y.“, hatte er geantwortet, bevor er wieder aufstand um in seinen Kleiderschrank zu blicken.

Er hatte sich bislang wirklich nie sonderlich Gedanken über Mode gemacht. Seine Kleidung war eher immer zweckdienlich. Er half ja auch dann und wann mit auf dem Hof, auch wenn lange nicht mehr so viel zu tun war, wie noch zu seinen Kindertagen. Damals hatte sein Großvater die Felder drum herum noch bestellt. Es ließ zwar mit der Zeit immer etwas mehr nach, aber seit dem Ereignis hatte sich ohnehin alles geändert. Nichts war mehr, wie es war.

Yuto probierte einige Oberteile und Hosen an. Ob dies aber besonders schick war, wagte er zu bezweifeln. Gut, dass Ryo schon geschrieben hatte, dass er selbst auch Dinge zur Verfügung stellen konnte. Achselzuckend legte er sich wieder auf’s Bett und schlief auch erstaunlich schnell ein.

Am darauf folgenden Morgen watschelte er ins Bad, duschte sich länger als nötig, denn er hatte erst ein Duschgel mit Fruchtaroma gewählt, was er dann aber zu kindisch empfand und rieb sich anschließend mit einem frischeren Duft erneut ein. Als er fertig war zog er sich dann an. Er hatte ein Jeanshemd gewählt, dass ihm gestern noch im Schrank aufgefallen war. Er hatte es erst einmal angehabt. Yuto war nochmal zurück ins Bad gegangenen, weil er sich überlegte, etwas Gel ins Haar zu reiben, aber er fand das Döschen nicht einmal mehr. Wann hatte er es überhaupt das letzte Mal gesehen? Hatte er es überhaupt einmal verwendet? Wahrscheinlich hatte es die Tante weg geworfen, weil es schon seit Ewigkeiten rumgestanden war.

Als er unten in der Küche ankam stieg ihm schon der Duft des Frühstücks in die Nase. Seine Tante und Großtante hatten es gerade fertig zubereitet und nahmen am Tisch platz.

„Guten Morgen.“, gab er von sich und blickte von der jüngeren zur älteren Frau, nahm dann Platz.

„Guten Morgen Yuto. Du siehst so erfrischt aus!“, meinte seine Tante freundlich lächelnd, während er einen argwöhnischen Blick der Großtante erntete.

„Ja, ich… hab gleich einen Termin… und freu mich schon darauf.“

„Was denn für einen Termin?“, brummte die Alte.

„Yuto hat noch ein kleines Jobangebot bekommen!“, antwortete die Tante stattdessen und blickte den Jungen kurz an. Dieser verstand und nahm sich einfach nur etwas vom Essen.

„Gut, dann werden wir endlich mit den Rechnungen entlastet!“, hatte die Großtante nur vorwurfsvoll gesagt und schlürfte an ihrer Suppenschale.

Nachdem das Frühstück beendet war, machte sich der junge Mann Fertig und verabschiedete sich, da er den Bus bekommen wollte.

An der Tankstelle angekommen blickte er freudig umher, hatte schon befürchtet, dass er um 8:50 Uhr etwas zu knapp dran sein würde.

Er sah einige Male auf sein Handy um die Zeit zu prüfen. Und als es immer später wurde, wurde er unruhig. Ob das vielleicht nur eine Verarsche war?!

Eine Kollegin war zu ihm gekommen und fragte ihn, ob alles in Ordnung sei, das es doch sein freier Tag war. Er nickte nur und meinte, er wartete auf jemanden.

Dann kam auch schon die Nachricht. Er war sehr erleichtert und als Ryo endlich vorfuhr, legte sich direkt ein Lächeln auf seine Lippen.

"Guten Morgen!", meinte er nur und lächelte schüchtern.

Ryo erwiderte das Lächeln sofort. Natürlich war er aus dem Auto gestiegen, um richtig nach dem Jungen Ausschau zu halten und auch, um ihn vernünftig zu begrüßen. "Guten Morgen!" strahlte Ryo. Sein Tatendrang war mit einem Mal zu ihm zurück gekehrt und er fühlte sich gar nicht mehr so abgehetzt. Er hielt Yuto die Hand hin, wollte er ihn nicht gleich mit einer Umarmung überfordern. Der Junge wirkte einfach immer noch recht schüchtern und unsicher. "Tut mir leid für die Verspätung! Koji hat mich aufgehalten und dann hab ich die Zeit aus den Augen verloren! Ich hasse es zu spät zu kommen, normal bin ich immer fast eine halbe Stunde zu früh überall!" plapperte er drauf los. "Komm, steig ein!" lächelte er schließlich und öffnete Yuto die Beifahrertür.

Der Student wartete geduldig, bis Yuto saß, ehe er die Tür zu schubste und um die Motorhaube herum lief, um selbst einzusteigen. "Anschnallen!" grinste der Hundesitter, wobei er das im gleichen Moment selbst auch tat. "Ich kanns kaum erwarten, dich vor der Linse zu haben! Ich hab so viele Ideen und Vorstellungen! Du bringst endlich mal wieder frischen Wind in meine Fotos!" Ryo war voller Energie und bereit tolle Fotos zu erschaffen! "Wenn du magst entwickel ich dir auch immer mal ein paar der Bilder, dann kannst du sie mit nach Hause nehmen! Dann hast du auch was in der Hand, was dir zeigt, dass es sich lohnt!" Für gewöhnlich brabbelte Ryo nicht so viel und schnell auf einmal, außer er war aufgeregt. Man konnte ihn vielleicht ein Bisschen mit einem Kleinkind vergleichen, dass es kaum erwarten konnte endlich aufs Karussell zu können. "Ach! Wie fühlst du dich eigentlich? Bist du wieder fit? Hast du gut geschlafen?" fragte er, sah ihn dann freundlich lächelnd an einer roten Ampel an. "Sorry...ich freu mich so, dass ich dich total zuquatsche!" fiel es ihm dann doch endlich auf. Gott... Yuto hielt ihn jetzt sicher für einen nervigen, aufgedrehten Idioten und bereute es sicher jetzt schon zu ihm ins Auto gestiegen zu sein... Aber Ryo hatte so viele Fragen, so viele Vorschläge und Ideen, die er Yuto erzählen wollte... Der Junge war immerhin der Hauptteil dieser Ideen!

Etwas unsicher reichte er ihm dann ebenso die Hand und ließ sich aber von der guten Laune hinreissen. Sie war wirklich ansteckend! Er lächelte und stieg dann ein. Bedankte sich.

„Ja, okay!“, antwortete er auf die Aussage, sich anzuschnallen. Natürlich hätte er das ohnehin getan, aber da es nochmal angesprochen wurde, wäre es doch unhöflich gewesen, nicht darauf zu reagieren, oder?

Obwohl Ryo die meiste Zeit der Fahrt plapperte und Yuto eigentlich gar nicht zu Wort kam, war ihm das in keiner Weise unrecht. Er fand es spannend zu erleben, wie aufgeweckt eine Person sein konnte. Er schien sich wirklich sehr zu freuen. Und dass er der Grund dafür war, war zugegeben ein fast schon unglaubliches, aber dennoch schönes Gefühl.

„Ach, ist doch schön. Mich stört das nicht!“, entgegnete er Ryos Aussage an der roten Ampel.

Yuto blickte aus dem Fenster.

„Wo fahren wir eigentlich hin? Da sind aber nicht lauter Kojis oder?“, fragte er nun und grinste. Er war wirklich davon ausgegangen dass Koji der Name einer der Hunde war. In keinem Moment hatte er vermutet, dass es Ryos Partner hätte sein können. Bislang hatte er sich noch gar keine Gedanken über das Privat- oder gar Intimleben des anderen gemacht.

"Dann bin ich beruhigt!" grinste der dunkelblonde erfreut. Yuto sagte das doch nicht bloß aus Höflichkeit, oder? Sie fuhren weiter, bogen rechts ab und dann wieder links. "Wir fahren zur Uni!" lachte er. "Ich hoffe doch, dass mein Koji einzigartig bleibt!" grinste er noch. Es war ihm überhaupt nicht aufgefallen, dass Yuto glaubte Koji sei ein Hund. Er hatte ja noch nicht einmal eigene Hunde! Er parkte schließlich auf dem Parkplatz der Uni. "Wir sind da!" Freudestrahlend stieg Ryo aus, öffnete dann für den anderen die Tür und ließ ihn in Ruhe aussteigen. "Keine Sorge, wir sind gleich in einem Raum, wo sonst keiner ist... Ich weiß, wie nervös es einen machen kann, wenn andere Leute sehen, wie man post oder so! Wir gehen es heute ganz ruhig an! Eingewöhnung ist echt wichtig." Natürlich würde er lieber direkt die vielen Ideen, die nur so aus ihm heraussprudelten nutzen, doch erstmal musste er sich zusammenreißen und Yuto nicht gleich überrumpeln.

Ryo führte sein Modell runter in die Kelleretage. Obwohl das hier eigentlich ein Keller sein sollte, war der Gang recht lang und hell beleuchtet. Hier erinnerte nicht an eine alten, modrigen Schulkeller. Schließlich betraten se den Raum, von dem er gesprochen hatte.

Der Raum war voll mit Dekokram, Requisiten und sonstiges. Wahrscheinlich konnte man aus allem hier viele, unterschiedliche Szenen zaubern. Es war ein Hintergrund aufgespannt und verschiedene Blitze standen auf ihren Positionen. "Sieh dich ruhig erstmal um, ich bereite alles soweit vor und wenn du magst können wir uns auch vorher noch ein wenig kennenlernen... also vorstellen und so... Wenn du was nicht magst, sag bescheid... wenn du was trinken möchtest, bedien dich gerne da vorn am Kühlschrank." Er deutete auf einen kleinen Glaskühlschrank, in dem verschiedene Getränke standen. Ryo selbst zog erstmal seine Jacke aus und schmiss diese über den vollen Jackenständer. "Fühl dich einfach wie Zuhause!"

Yuto fragte sich, welcher von den pelzigen Freunden wohl Koji war. Und warum er den Namen nicht verniedlichte. In Koji-kun oder Koji-maru oder irgendwas, was viele Hundebesitzer ja taten. Aber vielleicht war einer der Hunde ja schon älter…. auch wenn sie klein wie Welpen waren. Aber Yuto kannte sich ohnehin nicht besonders gut mit Hunden aus, er wusste nur, dass er alles, was kleiner war als ein Shiba-Inu, irgendwie seltsam fand.

Den langen Gang entlang zu gehen, war irgendwie gruselig. Es erinnerte ihn zu sehr an den Gang im Krankenhaus zur Intensivstation. Ein leichter Schauer lief ihm über den Rücken und er rieb sich den Oberarm zur Beruhigung. Er hoffte, dass Ryo ihm nicht anmerkte, wie unbehaglich das für ihn war.

Als sie dann aber den besagten Raum erreichten, war er doch schon wesentlich erleichterter. Hier stand wirklich viel herum. Es sah nicht unordentlich aus, im Gegenteil. Aber es war vieles, was für Yuto neu war. Er bestaunte die vielen Blitze und bedankte sich dann, dass er sich am Kühlschrank bedienen durfte, was er dann auch gleich tat. Er nahm sich ein stilles Wasser heraus, auch wenn die anderen Erfrischungsgetränke sehr einladend aussahen. Aber er befürchtete, dass, wenn er etwas mit Kohlensäure trank, er vielleicht während eines Bildes rülpsen musste und das war sicherlich nicht die Art von Foto, die sich Ryo wünschte.

Er nahm also einfach auf einem Hocker platz und sah seinem Gastgeber bei den Vorbereitungen zu.

„Wie lange machst du das schon?“, fragte Yuto nun und hoffte nicht zu aufdringlich zu sein. Wobei er eigentlich von Ryo das Gefühl bekam, dass es okay war locker zu sprechen. Aber ganz sicher war er sich eben noch nicht.

Natürlich fiel Ryo auf, dass der Gang im Keller dem anderen irgendwie Unbehagen bereitete, doch ging er auch davon aus, dass es nicht besser werden würde, wenn er den Jungen auch noch darauf ansprach. Der Student versuchte deshalb selbst eher ruhig und entspannt zu wirken, um Yuto zu zeigen, dass alles in Ordnung war.

Lächelnd sah der Fotograf das Staunen des Jungen. Gott, Yuto war so süß! Am Liebsten hätte er bereits diesen Ausdruck auf seiner Kamera eingefangen! Er begann nun trotzdem erstmal mit ein paar Einstellungen und fotografierte dabei zwischendurch den Hintergrund ganz ohne Modell. "Wie lange.... hmmm...schon ein paar Semester... ehrlich gesagt hab ich den Überblick verloren. Ryo lächelte sein Modell entschuldigend an, da er ihm keine genaue Zahl nennen konnte. "Aber auf jeden Fall schon so lange, dass ich anderen aushelfe und Dinge beibringe!" merkte er an.

"Magst du dich eben dahin stellen? ich würde gerne schauen, ob die Einstellungen soweit passen." bei den Worten deutete er auf den Hintergrund den er zuvor noch fotografiert hatte. "Ich bin froh, dass es dir heute wieder besser geht!" Ryo meinte das ehrlich. Er hatte sich ja auch ein paar Gedanken darüber gemacht, wie schlimm es sein könnte, dass Yuto zum Arzt musste... Aber es schien zum Glück nicht wirklich schlimm gewesen zu sein, das erleichterte ihn doch sehr. "Wenn du dich nicht wohl fühlst oder sowas, sag mir jeder Zeit bescheid, okay? Ich will nicht, dass du dir wegen mir Stress machst oder dich zu den Fotos zwingst." Niemand sollte wegen Ryo krank vor der Kamera sitzen...außerdem merkte er, wenn man sich vor der Kamera unsicher oder unwohl fühlte!

Er wartete geduldig, bis Yuto vor der Kamera stand und drückte dann den Auslöser. "Hmm...Der Blitz ist viel zu hart..." Er drückte ein paar Knöpfe, löste dann erneut aus. "Viel besser...Sieh mal der Unterschied." Er lief zu Yuto rüber, zeigte ihm erst das erste, dann das zweite Bild. "Der weichere Blitz passt viel besser zu dir, oder? Dafür, dass es nur Testfotos zur Einstellung sind, siehts doch schon echt gut aus! Die Fotos werden sicher klasse!" Ryos Augen funkelten regelrecht. Er war wirklich begeistert von diesem Kerl. Yutos Haut war wirklich schön und sein ganzes Gesicht war einfach perfekt. Dieser Junge war unglaublich süß! Es kribbelte Ryo unheimlich in den Fingern sofort anzufangen! Aber erstmal sollte Yuto ihm das Go dafür geben...

Es war spannend Ryo zuzuhören und ihn so in Aktion zu erleben. Auch wenn er ihn praktisch nicht kannte, so vermittelte er ihm doch ein Gefühl von einer sehr starken und sicheren Persönlichkeit. Es war irgendwie beruhigend. Ryo schien ganz genau zu wissen, was er wollte und das war sehr beeindruckend.

Yuto stellte sich etwas unbeholfen hin, wie vorgeschlagen wurde und war sich nicht sicher, ob er lächeln, oder einfach nur stumm in die Kamera blicken sollte. Er hatte sich für die letztere Variante entschieden.

„Eh, ja… mir geht es besser, keine Sorge. Hatte wohl nur was falsches gegessen.“, winkte Yuto ab. Er wollte ihm auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, ein hilfebedürftiges Wesen zu sein, oder wehleidig, oder generell krank! Er wollte einfach nicht mehr darüber nachdenken und sich dieser neuen Sache hier widmen.

Dies gelang ihm auch ganz gut, denn so wie der Student alles erklärte, machte es einfach nur Sinn und als er dann die unterschiedlichen Bilder sah, konnte er nur zustimmen. Es sah wirklich viel besser aus. Aber irgendwie war es auch seltsam sich so zu sehen. Es waren nur die ersten Test-Schüsse, aber trotzdem war Yuto jetzt schon begeistert.

„Kaum zu glauben, dass das ich sein soll!“, gab er von sich und lächelte schüchtern.

Aber irgendwie war das motivierend.

„Hast du dir schon irgendwelche Posen vorgestellt, ich bin mir nämlich etwas unsicher, wie ich mich bewegen soll oder wie ich gucken kann.“, meinte der 21-jährige nun.

Er hoffte, dass er trotz allem den Anspruch genügte und Ryo nicht an ihm verzweifeln würde.

"Dann bin ich erleichtert! Zum Glück war das keine Lebensmittelvergiftung!" lächelte Ryo sofort. Er hatte ja keine Ahnung, was wirklich dahinter steckte, aber das ging ihn ja auch nicht das geringste an. Wer würde schon einem Fremden erzählen, dass er zum Psychiater musste? Genau. Niemand.

"Das sollst du nicht nur sein, das bist du! Und wir haben noch nicht mal angefangen!" grinste der Fotograf stolz. Er hatte sich ganz sicher das perfekte Modell ausgesucht. Der dunkelblonde hoffte so sehr, dass Yuto Spaß daran finden würde und sich schon bald ganz natürlich vor der Kamera bewegen würde...genau wie Koji.
"Posen? Also willst du direkt loslegen? Klasse! Das Lob ich mir!" strahlte Ryo nach den Worten des anderen. Natürlich hatte er sich sowas bereits vorgestellt! "Fangen wir mit etwas ganz einfachem an! Hier." Er drückte dem Jungen ein Buch in die Hand. "Stell dich ganz normal hin, als würdest du mit dem Buch durch dein Zimmer laufen und lesen...oder...als würdest du gerade ein Rezept daraus lesen, während du die Zutaten dafür aus den Schränken zusammensuchst... schau einfach ins Buch, den Kopf aber nicht zu tief...und steh so seitlich zur Kamera!"
Ryo hatte nämlich einen super Plan! Er verschwand rasch zur Kamera, knipste dann ein Bild und kurz darauf rief er den anderen, als wollte er ihn etwas fragen, sodass dieser ihn ohnehin aus Reflex ansah und schoss gleich drei Fotos. Zufrieden grinsend kam er wieder zu ihm. "Guck hier... Natürlichkeit steht dir super gut." Er zeigte erst das gestellte Bild, dann die drei, wo Yuto zu ihm rüber gesehen hatte.