Das unangenehme Gefühl hatte sich bestätigt. Diese Frau war ihr doch tatsächlich gefolgt!

Die Alte wollte einfach nur in das Klinikum und ging mit ihren alten, kleinen Füssen so schnell voran, wie sie konnte, aber die junge, agile Frau war einfach wesentlich schneller und holte sie ein.

„Also, hören Sie mal! Das ist ungeheuerlich! Wenn Yuto Ihnen nichts angetan hat, was wollen Sie denn dann von mir?! Ich habe im Moment keine Zeit für Kaffeeklatsch! Sie… Sie können mir ja eine Visitenkarte geben und wenn ich einmal Zeit haben sollte, melde ich mich bei Ihnen!“, hatte sie geantwortet und wartete nur ungern auf die Visitenkarte, bevor sie sich verabschiedete und in das Innere des Hospitals vorrückte.

Also Sie am Abend wieder zu Hause war hatte sie das Essen gemacht, wie immer und wartete ungeduldig auf Ihren Großneffen.

Also dieser dann endlich kam und er in die Küche trat um sie zu begrüßen meinte sie ohne zu zögern:

„Diese Harada war hier. Heute morgen. Ich hatte was vergessen und sie hat mich abgefangen. Sie wollte mir Fragen über dich stellen und dann ist sie mir bis ins Krankenhaus gefolgt! Was ist das für eine Wahnsinnige? Bist du irgendeiner Sekte beigetreten?“

Yuto sah sie entgeistert an. „Frau Harada war hier?! Was… was wollte Sie denn?“

„Sie faselte etwas von Problemen und dass man die gemeinsam lösen kann. Was hast du ihr denn bitte erzählt?!“

„Überhaupt nichts. Sie und ein anderer Kollege drängen sich mir die ganze Zeit auf…“

„Sie hat mich eingeladen und will, dass wir von Frau zu Frau reden. Ich hab ihr gesagt, dass ich keine Zeit für sowas habe und ihr gesagt, dass ich mich melde. Aber ich verstehe nicht, was sie will!“

„Dann sind wir schon zu zweit…“

„Du hast aber nichts angestellt…?“, hakte sie vorsichtig nach.

„Ich versuche einfach nur zu Arbeiten.“

Sie nickte. Dann stellte sie ihm das Essen hin.

Yuto aß aber in Gedanken war er bei Frau Harada. Ihr Verhalten behagte ihm überhaupt nicht und er verstand auch nicht, wieso sie glaubte, dass das in Ordnung sei, was sie da tat.

Er hatte die Visitenkarte auf dem Tisch gesehen und sich die Adresse eingeprägt.

„Ich geh nochmal raus.“, hatte er nach dem Essen gesagt und machte sich auf den Weg zum Haus der Chefin.

Er klingelte und entschuldigte sich für die Störung.

Als er hinein gelassen wurde meinte er:

„Ich möchte direkt auf den Punkt kommen, warum ich her gekommen bin. Ich habe eine Frage an Sie Frau Harada. Warum sind Sie zu mir nach Hause gefahren und sind meiner Großtante sogar gefolgt? Sie hat es mir erzählt und ich muss sagen, dass ich das sehr seltsam finde. Sie war sehr erschrocken über Ihre Direktheit und auch über Ihre Beharrlichkeit.
Sie sagten mir, sie möchten alle Menschen gleich behandeln, aber Sie respektieren meine Privatsphäre nicht.“

Während er all dies sagte, kam er immer näher auf sie zu. Stand direkt vor ihr und sah ihr in die Augen.

„Was wollen Sie von mir, Frau Harada?“, flüsterte er nun mit einer außerordentlich ernsten Miene.

Yuto hörte sich die Worte der Frau an. Aber mit jedem einzelnen dieser Worte fühlte er sich nur noch mehr darin bestätigt, dass diese Frau einfach keine Grenzen kannte. Und als sie ihn dann auch noch abzuwimmeln versuchte, mit den Worten, sie brauche ihre Ruhe, da konnte er nicht anders.

Er schlug mit der Faust gegen die Wand und sagte laut: „NEIN!“

Er sah sie eindringlich an.

„Sie geben mir JETZT eine gute Begründung, warum Sie sich mir und meinen Familienangehörigen so aufdrängen! Ich habe Sie um nichts gebeten und Ihnen mehrfach gesagt, dass ich nichts brauche und trotzdem verhalten Sie sich so! Wenn Sie also von mir erwarten, dass ich morgen in Ihre Firma komme, dann haben Sie JETZT eine Erklärung für mich und zwar eine plausible!“

Jetzt war er einfach nur gespannt was sie sagte. Und im Moment hoffte er, dass sie so intelligent war, wie sie tat und nicht mit irgend einem Schwachsinn daher kam! Diese Frau hatte nicht die geringste Ahnung, wozu er fähig war und doch stellte sie ihn auf die Probe. Ob das naiv, leichtsinnig, dumm oder ignorant war… das fragte er sich gerade.

"Sie haben damit angefangen, werte Frau Harada. Es ist unangenehm, wenn man seine eigene Medizin schlucken muss, nicht wahr?", gab Yuto von sich und lächelte kühl bevor er ging.

Auf dem Weg nach Hause schmunzelte er über den Verlauf. "Diese hochnäsige Schnepfe! Wie sie sich fast in die Hose gemacht hatte", dachte er und lachte kurz auf.

Wieder einmal hatte er den Beweis dafür, dass Menschen überhebliche Arschlöcher waren, die ihre Nasen überall hineinstecken wollten und es für normal hielten. Wenn man mit ihnen das gleiche tat, kniffen sie ihre Arschbacken zusammen und fanden das schlecht. Wie lächerlich das doch war.

Daheim angekommen kam gerade die Tante aus dem Bad.

"Die Harada wird dich nicht mehr ärgern!", meinte er nur und ging in Richtung seines Zimmers.

Entsetzt hielt sie ihre Hände über den Mund. Dann fragte sie:"Yuto... du hast ihr doch nichts angetan...?!"

Er sah sich zu ihr um und zuckte die Achseln. "Nein, wieso? Ich habe sie zur Rede gestellt, dass man so nicht mit Menschen umgeht. Ihnen folgt und sich ihnen aufdrängt. Das gehört sich nicht."

"Und.. dann?", hakte sie zögernd nach.

"Dann hat sie mich rausgeschmissen, mit der Polizei gedroht und gemeint ich hätte Hausfriedensbruch begangen. Sie hat mich rein gelassen... also war es ja nicht gerade so, als hätte ich mir einen Weg in ihre Wohnung erzwungen... "

Sie sah ihn skeptisch an. Er lächelte.

Dieses Lächeln mochte sie nicht. Sie hatte es schonmal gesehen... aber es war nicht ganz so schlimm wie zuvor.

"Du kannst sie gern morgen anrufen, wenn du findest, dass man sich bei ihr entschuldigen sollte!", hatte er ihr vorgeschlagen.

"Eh.. nein, nein... alles in Ordnung.. Dann, wirst du dort wohl auch nicht mehr arbeiten..?"

"Nein. Gute Nacht.", antwortete er knapp und verschwand in seinem Zimmer.

Zögerlich ging die alte in die Küche und sah nach der Visitenkarte der Autohändlerin. Ob wirklich alles in Ordnung war?

Am nächsten Morgen hatte die alte Frau gewartet, bis Yuto aus dem Haus war. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn heute nicht fahren konnte und wartete nun geduldig.

Als er dann draußen war, hatte sie die Visitenkarte der Geschäftsfrau zur Hand genommen, setzte sich an das Telefon und atmete laut durch. Dann wählte sie die Nummer.

Nachdem dann abgenommen wurde, meldete sie sich zögerlich.

"Eh.. guten Morgen.. ist da Frau Harada vom Autohandel? Hier spricht Chikako Handa, Yutos Großtante."

"Geht es ihnen gut? Ich wollte mich bei ihnen erkundigen. Yuto hatte erwähnt, dass er gestern bei ihnen war und mit ihnen reden wollte... ist denn alles in Ordnung?", fragte sie vorsichtig. Sie wusste ja nicht, was die Wahrheit war und wie es der Frau ging. Sie war aber erleichtert, dass sie überhaupt ans Telefon gegangen war.

"Dann bin ich erleichtert!", hatte die alte geantwortet. Als dann aber gesagt wurde, dass man sich treffen könne, wimmelte sie direkt ab.
"Ich wollte mich nur erkundigen, wie es Ihnen geht und da alles bestens ist, habe ich meine Pflicht erledigt. Bitte tun sie sich selbst den Gefallen und halten Sie sich von uns fern. Wir können Ihnen nicht geben was sie brauchen oder was sie suchen... sie werden es nicht bei uns finden. Alles Gute Ihnen."

Mit diesen Worten legte sie auf und sah das Telefon noch eine Weile an. Sie blickte dann an die Decke und fragte sich dann, ob Yuto nun vielleicht doch endlich anders werden würde.

Sie ging in sein Zimmer und sah nach, wie es um seine Medikamente stand. So wie es aussah, nahm er sie. Das war doch gut! Sie nickte und wollte hoffen. Dann machte sie sich fertig und fuhr ins Krankenhaus.

Im Zimmer ihres Bruders angelangt betrachtete sie diesen. Wie er da lag. Am Beatmungsgerät und mit den geschlossenen Augen. Dieser fast schon leblose Körper war ein bitteres Zeugnis der Wahrheit. Sie nahm seine Hand in ihre und fing an zu weinen.


*******

Yuto hatte wie üblich in der Tankstelle seinen Dienst geleistet. Ruhig, unauffällig und teilnahmslos. Doch irgendetwas in ihm wollte nicht ruhig bleiben. Irgendetwas nagte an ihm, doch war er sich nicht ganz sicher, was es war. Es hatte den ganzen Arbeitstag gedauert, bis er herausfand, was die Ursache dafür war.

Bei Feierabend machte er sich auf den Weg zum Autohaus. Wartete, bis alles dicht gemacht wurde und er Herrn Yamato heraus kommen sah.

Er hatte hinter einer Säule gewartet und sah zu, wie der Mann zu seinem Auto ging. Yuto atmete aus, dann eilte er nach vorn. Es war niemand sonst zu sehen, sonst hätte er sich nicht gewagt.

"Meister Yamato!", rief er. Er machte vor ihm halt und lächelte ihn höflich an. Verneigte sich auch leicht.

"Meister Yamato, darf ich kurz mit Ihnen reden?"

Yuto verneigte sich leicht als Zeichen seiner Dankbarkeit.

"Meister Yamato, zu aller erst, vielen Dank, dass die mich anhören. Ich gehe davon aus, dass Frau Harada schon mit ihnen gesprochen hat. Nun, ich möchte mich für diese Unannehmlichkeit entschuldigen. Ich bin wirklich sehr dankbar für das, was sie mir bislang beigebracht haben und es tut mir leid, dass ich nun nicht mehr ihr Schüler sein kann. Sie sind wirklich ein sehr guter Lehrer für mich gewesen. Es gibt nicht viele Menschen, die so viel Geduld mit mir haben.... Vielen Dank also für alles. Und was ich noch sagen wollte, ich denke Frau Harada hat mich völlig falsch eingeschätzt. Ich will mich nicht rausreden, verstehen Sie mich bitte nicht falsch und ich will auch nicht über sie schlecht reden. Sie hatte sicherlich nur gute Absichten. Aber ich habe ihr mehrfach gesagt, dass ich es nicht wünsche, wenn sich jemand in meine Angelegenheiten mischt. Sie hatte meine Bitte aber mehrfach ignoriert und sogar meine Großmutter involviert. Ich finde, dazu hat kein Arbeitgeber das Recht. Es ist meine Privatsphäre und als ich sie gestern bat, mir zu erklären, warum sie so hartnäckig sei, wurde sie sehr unhöflich. Und daraufhin habe ich eben entsprechend reagiert. Ich gehe davon aus, dass Frau Harada es nicht gewohnt ist, wenn jemand ihr Widerworte gibt. Sie ist schließlich eine harte Geschäftsfrau.... aber dennoch ist sie zu weit gegangen. Auch jemand wie sie sollte wissen, wann es einfach zu viel wird. Nun ja... ich will auch nicht weiter meinen Unmut kundtun, ich wollte es ihnen nur sagen."

Yuto atmete laut aus, jetzt war er erleichtert, dass dies ausgesprochen wurde. Er fragte sich, wie dies wohl bei Meister Yamada angekommen war.

"Würden Sie das wirklich machen? Das ist sehr freundlich von Ihnen! Ich verspreche Ihnen, Sie werden nicht enttäuscht sein! Vielen Dank, Meister Yamada. Und bitte richten Sie Frau Harada aus, dass ich mich, wenn Sie mir die Möglichkeit gibt, persönlich bei Ihr entschuldigen werde."

Yuto war froh, dass er über seinen Schatten gesprungen war und verneigte sich nochmals, bevor er zur Bushaltestelle ging. Es würde nicht lange dauern, bis sein Bus kommen würde.

Auch wenn er keine Lust hatte nach Hause zu gehen, so war er dennoch erleichtert, dass dieses Gefühl nun weg war, welches ihn den ganzen Tag begleitet hatte.

Später in seinem Bett liegend fragte er sich das erste Mal ob Frau Harada ihm wirklich helfen konnte.

Yuto musste am heutigen Tag nicht zur Tankstelle. Er hatte so getan, als würde er sich für die Arbeit fertig machen, damit seine Großtante ihm nicht im Nacken lag. Erst als er gehört hatte, dass sie das Haus verlassen hatte, hatte er sich wieder auf sein Bett gelegt.

Nach einer Weile war er in die Küche gegangen, hatte sich etwas zu essen geholt und war zurück in sein Zimmer gegangen.

Zu seiner Überraschung klingelte sein Telefon. Er nahm ab und noch bevor er etwas sagen konnte hatte Frau Harada gesprochen und dann auch schon aufgelegt.

"Warum wartet diese Frau nie ab, bis man ihr antwortet?", fragte er sich anschließend, schüttelte den Kopf und lachte. So war sie wohl einfach.

Meister Yamada hatte also wirklich sein Wort gehalten. Dass Frau Harada sich so schnell melden würde, hätte Yuto aber nicht gedacht. Nun aber offiziell wieder eingestellt zu werden, war eine gute Nachricht. Eine viel bessere, als erhofft. Wenn es ihm wirklich gelingen würde, langfristig dort zu arbeiten, würde er vielleicht auch irgendwann genug Geld haben um hier auszuziehen.

Am nächsten Tag ging erschien er Punkt 9 Uhr bei Frau Harada und klopfte an ihre Bürotür.

"Vielen Dank für diese Chance! Ich werde mir große Mühe geben. Und Frau Harada, bitte entschuldigen Sie mein Verhalten von neulich...."