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RE: L single - Ich bin Momo

in Kurzgeschichten 02.11.2018 20:45
von Kazuya | 4.234 Beiträge

Hallo mein Name ist Mona, aber alle nennen mich Momo. Ich bin 24 Jahre alt und Single. Zumindest, seit fünf Wochen. Davor war ich in einer Beziehung mit Sandra. Ich hatte sie noch in der Oberstufe kennengelernt. Sie war damals in meine Klasse gekommen und galt da schon als rebellisch, was mich gleichzeitig faszinierte wie auch beängstigte. So lief es eigentlich auch die ganze Zeit. Während ich versuchte, es allen recht zu machen - vor allem meiner Familie, die das nicht tolerierte und mir auch verbot, das meinen Großeltern zu sagen - und Sandra, die dann Musik studierte, eine kurze Liaison mit dem Lektor hatte und dann doch lieber Kunst studieren wollte und dann Koreanistik, weil sie sich nach Gangnam-Style für Korea interessierte.
Wie dem auch sei, die Beziehung mit ihr hatte Höhen und Tiefen und die meiste Zeit hatte ich versucht, alles am am Laufen zu halten. Letzten Endes ging mir dann aber doch irgendwann die Puste aus. Ach, ich will gar nicht weiter darüber nachdenken! Es war alles wirklich nicht gerade einfach und egal was war, sie bedeutet mir immer noch sehr viel.

Trotzdem, ich musste einfach aus unserer Wohnung in Köln ausziehen! Als WG ertrug ich das nicht, da sich praktisch überhaupt nichts geändert hatte. Natürlich war ich dann auch noch die Böse, weil ich sie mit der Miete im Stich lasse… Ich bin jetzt vorübergehend bei meiner Cousine Biggi in Düsseldorf untergekommen und habe dort sogar auch eine Anstellung gefunden. Ist zwar nur in einem Laden für Computerspiele, aber da ich mit meinem Webdesign ohnehin noch weiter voran kommen möchte, ist das besser als nichts.

Meine Cousine liegt mir jetzt seit Tagen in den Ohren, dass ich doch unbedingt mal mit ihr feiern gehen soll. Ich würde schon seit Wochen Trübsal blasen und nichts tun, ausser zu essen!
Naja, ganz Unrecht hat sie da ja nicht, aber wie soll man sich auch fühlen, nach dem Ende einer langjährigen Beziehung?! Meiner einzigen Beziehung! Das mit Stefan zähle ich nicht als Beziehung; da war ich 15 und er wollte nichts anderes als endlich meine Brüste anzufassen! Die zwei Wochen in denen wir „zusammen“ waren bestanden einzig und allein aus seinen plumpen Annäherungsversuchen und meinem standhaften abwehren.

Ich habe mich heute also dazu durchgerungen, sie in irgend einen Club zu begleiten. Jetzt stehe ich allerdings seit einer dreiviertel Stunde vor dem Schrank und weiss ums Verrecken nicht, was ich anziehen soll! Mein Frustfressen hat sich leider auf den Zustand meiner Kleidung ausgewirkt, denn die will sich nun entweder nicht mehr schliessen lassen oder wölbt sich seltsam über neue Wölbungen, so dass das Ganze noch schrecklicher aussieht, als es das ohnehin schon tut! In diesem eigentlich so trendigen Outfit sehe ich schlichtweg wie ein buntes Michellin-Männchen aus!

Gut dass mir Biggi aber ein Kleid von sich ausleihen kann! Auch wenn das eigentlich so überhaupt nicht mein Stil ist! Aber egal! Ich gehe in nen Club, in dem ich Menschen über den Weg laufen werde, die mir egal sind und die ich ohnehin nie wieder sehen werde!

Biggi hatte mir noch geholfen, meine Haare halbwegs schick zu stylen. Irgendwie hatte ich diese Muse schon lang verloren. Genau genommen nerven mich meine Haare schon immer. Sie sind einfach unglaublich langweilig und lassen sich praktisch überhaupt nicht stylen. Es ist, als würden sie sich vehement gegen Lockenwickler, Glätteisen und Rundbürsten wehren. Sie sind sehr dick und dicht und an manchen Stellen welliger als an anderen. Noch nerviger ist aber die Farbe, die von hellblond an den Schläfen bis zu einem dunkelblond im Nacken reicht. Also, eigentlich sehen meine Haare so aus, als sei einem Tintenstrahldrucker irgendwann die Tinte ausgegangen. Friseure sind bislang auch nicht fähig gewesen, das mal in eine gleichmäßige Farbe zu tönen oder färben. Es sieht am Ende einfach immer noch grauenvoller aus. Ich weiss nicht, was da los ist. Aber Biggi, hat sie tatsächlich halbwegs Lockig bekommen. Korkenzieherlocken! Die liebe ich ja immer, wenn ich sie an anderen sehe! An mir hält ja so eine Frisur ungefähr 5 Minuten. Bis Wind, Regen, oder Licht dran gekommen ist. Dann sind sie einfach wieder nur glatt-wellig, oder wie man das nennen soll.

Der Blick in den Spiegel verrät mir aber, dass ich mit dieser Frisur und dem Kleid, welches die neuen Speckrollen zu überdecken vermag, gar nicht mal so schlecht aussehe!

Freudig sehe ich meine Cousine an. Biggi. Sie ist toll! Sie ist drei Jahre jünger aber so viel erwachsener als ich. Sie wusste schon immer was sie wollte und ist stets schnurstracks auf ihr Ziel zugegangen und hat es erreicht. Sie arbeitete als Stylistin in einem japanischen Friseursalon. Ich frage mich heute noch, wie das zu Stande gekommen ist. Aber sie ist gut und sie strebt es an bis in 3 Jahren ihren eigenen Salon zu haben. Wenn das jemand schafft, dann Biggi, da bin ich mir sicher!
Biggi, die übrigens Birgit heisst, aber diesen Namen verabscheut, hat sich bei einer Sache aber noch nicht so ganz entschieden und zwar, ob sie lieber Männer oder Frauen mag. Ich glaube, das ist auch die einzige Sache, bei der ich mir sicherer bin, als sie. Aber wer weiss, vielleicht ist auch genau diese Unsicherheit gar keine Unsicherheit sondern einfach ein Fakt. Sie will sich vielleicht auch gar nicht festlegen. Tatsächlich habe ich sie das nie gefragt, fühlte mich ihr aber immer noch verbundener, als ich sie mit ihrer ersten Freundin gesehen hatte.
Ihre Eltern waren allerdings noch schlimmer als meine! Sie haben sie direkt vor die Tür gesetzt. Da war sie gerade einmal 16! Sie hatte dann auch eine Weile bei uns gelebt, aber ich glaube, dass meine Mutter wirklich annimmt, dass Biggi auf mich abgefärbt ist und ich nur darum auch Mädchen mochte! Völliger Quatsch, aber egal. Unsere Mütter sind beide nicht gerade fortschrittlich, was das Denkvermögen anbelangt.

„So, du sexy Sahneschnitte, dann lass uns mal aufbrechen!“, meint sie und gibt mir einen Klaps auf den Hintern, worüber ich wirklich kichern muss.

Wir brechen also auf und gehen feiern. Ich bin jetzt tatsächlich sogar etwas in Partystimmung!

Wir kommen an und bekommen zwei Marken. Solche, die aussehen wie die Chips die man in Einkaufswägen schiebt. Diese sind sozusagen Gutscheine für einen Cocktail. Begeistert sehe ich Biggi an. „Ladies Night!“, sagt sie nur, was mir wohl als Erklärung dienen soll. Ich hinterfrage es aber nicht und freue mich, dass wir Freigetränke bekommen! Sogar mit Alkohol!

Nach dem besagten zweiten Cocktail ist meine Laune auch so gut, dass ich mich nicht mal mehr geniere mich zur Musik zu bewegen. Sonst komme ich mir dabei immer etwas stümperhaft vor, aber heute ist es mir egal. Ich gehe total auf und Biggi sorgt dafür, dass ich noch lockerer werde, indem sie mit Shots ankommt.
„Heute lassen wir’s endlich mal krachen, woo hooo!“, kreischt sie und steckt mich mit ihrer super Laune regelrecht an.

Ich weiss nicht, ob ich schon geistig umnachtet angekommen bin, aber erst jetzt fällt mir auf, dass, bis auf den Bar-Keeper überhaupt keine Männer hier sind. Scheint wohl eine Girls Only-Party zu sein! Dass es dann aber noch Freigetränke gab…naja, wirklich drüber nachdenken kann ich nicht, denn ich sehe plötzlich überall nur noch Frauen, die mich entweder mit ihren Blicken ausziehen oder sowieso schon mit einer anderen knutschen. Tatsächlich stört es mich aber nicht mal. Die Musik ist einfach zu gut und der Beat hat mich fest in seinem Griff. Ich habe mit Biggi zusammen ein paar echt Dirty Moves aufs Parket gelegt, bis… naja… bis Biggi plötzlich quiekt
„Ist das nicht Sandra?!“

Mein Blick richtet sich sofort in die Richtung in die sie zeigt und da ist sie! Sandra. Meine Ex-Freundin! Sie ist aber nicht allein! Irgend eine Tussi mit enorm langen Beinen hat ihre enorm langen Arme um sie geschlungen und scheint mit ihrer Zunge in Sandras Rachen nach Kreolen zu angeln!

Ich bin einen Momentlang wie gelähmt stehen geblieben. Ich habe nicht einmal mehr die Musik wahr genommen. Alles was in mir aufstieg, war die Wut, gepaart mit den Cocktails und den Shots. Ich renne heraus, halte mir die Hand vor den Mund und schaffe es noch um die Ecke des Gebäudes um mich dort in der Gasse zu übergeben! Toller Abend!

Ich weiss nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin, ich weiss nur noch wie ich mit einer Tüte Kartoffelchips auf dem Sofa sitze, heule und mir Biggi versucht gut zuzusprechen.

„Wieso hat sie schon wieder eine Neue? Warum ist sie überhaupt in Düsseldorf? Sie ist doch sonst nie in Düsseldorf! Wer war diese Tussi überhaupt?!“, höre ich mich selber jammern und heule wie ein Schlosshund.

Warum tut das selbst nach fünf Wochen so weh? Müsste ich es nicht langsam überstanden haben?

Biggi hat sich zu mir gesetzt, mich in den Arm genommen und mit mir zusammen Sandra verteufelt! Sie spricht mir auch gut zu, dass ich viel hübscher sei, als diese Tussi mit ihren Kraken-Armen! Ich muss doch tatsächlich darüber lachen, aber im selben Moment kullern mir auch wieder Tränen über die Wangen.

Ich bin einfach enttäuscht, dass es für Sandra wohl absolut selbstverständlich ist, sich direkt die nächste zu angeln. Vermisst sie mich denn so überhaupt gar nicht? Wir waren doch eine gefühlte Ewigkeit ein Paar! Wie kann sie sich da einfach so leichtfertig von jemand abschlabbern lassen? Ich zweifle gerade nicht nur an der Aufrichtigkeit ihrer Gefühle zu mir, sondern auch an mir selbst. War ich vielleicht nicht aufregend genug? War ich zu häuslich? Ich meine, letzen Endes war ich es ja immer, die sich um den Haushalt und den Zusammenhalt der Beziehung gekümmert hat. Hätte ich vielleicht weniger verständnisvoll sein müssen? Hätte ich darauf beharren müssen, dass sie mal eine Sache durchzieht anstatt immer etwas neues anzufangen, ohne ein richtiges Ziel vor Augen zu haben? Ich weiss es nicht.

Biggi schimpft mich, nachdem ich diese Zweifel laut ausgesprochen habe.

„Sandra ist einfach eine blöde, notgeile Schnepfe! Wenn sie nicht gesehen hat, was sie an dir hatte, wird sie nie verstehen, was wahre Liebe bedeutet! Du hast alles richtig gemacht! Nein, du hast sogar zu viel für diese Kuh gemacht!“, meint sie, schenkt mir ein Glas Wein ein und trinkt selbst einen großen Schluck aus der Flasche.

Oh Mann, der Cocktail, die Shots und jetzt der Wein? Naja, ich habe mich ja schon einmal übergeben, da kommt es auf ein weiteres Mal auch nicht mehr an! Ich kippe also das Glas herunter und greife anschließend nochmal in die Chips-Tüte. Bah, diese Kombination ist wirklich nicht die Beste!

Wir schimpfen noch eine Weile über Sandra und andere verflossene und schlafen auf der ausgezogenen Couch ein.

Ich erwache stunden später, weil mich etwas fürchterlich im Gesicht juckt. Als ich verschlafen an meiner Wange kratze und da etwas abbröckelt, schrecke ich innerlich auf, doch dann erkenne ich, dass ich wohl mitten in der ausgeleerten Chips-Masse geschlafen habe und sich einige Krümel in meine Haut gebohrt haben. Ich blicke neben mich und sehe meine Cousine, die breitbeinig und mit offenem Mund da liegt. Sie sieht gerade wirklich ein bisschen wie ein Käfer auf, der es nicht mehr geschafft hat, sich auf die Füsse zu bringen und dann kläglich verendet ist.

Mich führt es erstmal ins Bad, wo es mich kurz dreht, ich mich aber noch am Waschbecken abfangen kann und mich vorsichtig auf den Boden sinken lasse. Meine Güte, ich hätte wirklich nicht noch den Wein trinken dürfen! Das war alles Sandras Schuld! Diese blöde Bitch!


Ob Sandra nun wirklich eine Bitch ist oder nicht, kann ich gerade nicht mit mir ausmachen, da ich spüre, wie sich mir der Magen überstülpen will.

Ich hänge eine gefühlte Ewigkeit über der Schüssel. Natürlich bleibe ich noch im Bad auf dem Boden liegen, bis sich mein Kreislauf wieder stabilisiert hat. Eigentlich hätte ich gern geduscht, aber dazu fühle ich mich nicht im Stande und watschle dann wieder auf’s Sofa zurück und lege mich hin.

Biggi hat sich mittlerweile zur Seite gedreht und ihre Brust scheint sich aus dem Trägertop gestohlen zu haben. Ihr gepiercter Nippel funkelt mir regelrecht entgegen. Na toll! Wieder ein Beweis dafür, wie spießig ich eigentlich bin! Wieso bin ich nie auf die Idee gekommen, mir die Brustwarze oder überhaupt was piercen zu lassen. Ich hab ja noch nicht mal Ohrlöcher! Ich schließe also nur die Augen und wünsche mich an einen Ort ohne Kater und ohne Liebeskummer. Ein Ort an dem ich auch mit Speckrollen als wunderschön gelte und wo mich niemand ärgert.

Ich bin wohl doch nochmal eingeschlafen, denn als ich die Augen öffne duftet es bereits nach Kaffee und frisch gebackenen Brötchen.

Ich setze mich auf und ehe rüber zum kleinen Esstisch, auf dem schon Marmelade, Käse, Wurst und Nutella bereit stehen. Biggi bringt gerade den Korb mit den Aufback-Brötchen aus der Küche und begrüsst mich mit einem fröhlichen guten Morgen Gruss.

Hat die denn überhaupt keinen Kater?! Meine Güte! Ich bin ja so ein Weichei!

Ich grüsse sie zurück, schleppe mich an den Frühstückstisch und lass mir eine Tasse Kaffee bringen. Eigentlich wäre mir ja eine heisse Schokolade lieber, aber der Kaffee wird mich vielleicht aus dieser Trägheit befreien.

Ich bedanke mich brav bei Biggi für ihre Mühe und warte auf sie, bis sie sich Platz nimmt, dann darf ich zwischen Körnerbrötchen und Mini-Baguette wählen. Ich entscheide mich für die körnige Variante, sauge den Duft ein und schneide es auf, damit ich ein Stück Butter darauf verteilen kann.

Verstohlen blicke ich meine Cousine an, die sich gerade eine Scheibe vom Käse nimmt. Sie ist echt klasse! Was würde ich eigentlich ohne sie machen? Ich wäre doch total aufgeschmissen! Vielleicht sollte ich sie zum Dank einmal richtig schön ausführen. Das würde sie doch bestimmt freuen.

Wir essen und ich höre mir ihr fröhliches Gebabbel über einige Kunden an, die sie in letzter Zeit betreut hatte. Ihre ausladenden Handbewegungen und ihr Dauergrinsen zeigen mir wieder, was für eine Persönlichkeit da vor mir sitzt. Sie ist so unbeschwert und so selbstsicher! Ich sollte mir wirklich eine Scheibe von ihr abschneiden! Wenn ich nur halb so cool wäre wie sie, dann hätte ich das ganze Drama mit Sandra vielleicht gar nicht gehabt. Dann hätte ich nach dem ersten Fehltritt vielleicht den Mittelfinger gehoben und wäre direkt in eine eigene Bude gezogen, oder?

Oh Mann, diese Gedanken machen wir irgendwie zu schaffen. Vielleicht sollte ich aber das ganze in etwas Positives umwandeln, oder? Viel tiefer kann ich ohnehin nicht mehr sinken!

„Ich will ein Tattoo!“, platzt es plötzlich aus mir und Biggi sieht mich entgeistert an.

Sie lacht kurz darauf und glaubt mir nicht.

Ich bin aber fest entschlossen! Ich will ein Tattoo! Irgendwas! Egal was! Und wenns ein blöder Stern am Ellenbogen ist!

Ich brauche eine Veränderung und zwar umgehend!

„Was hältst du davon, wenn ich dir eine neue Frisur verpasse? Das geht schneller als einen Termin für ein Tattoo auszumachen. Also nur… wenn du willst.“, schlägt sie vor.

Wenn ich eine schnelle Veränderung will, dann wäre das doch perfekt!

Kurzerhand stimme ich zu.

„Ich gehöre ganz dir und deiner Kreativität!“, spreche ich aus. Ich vertraue Biggi da völlig. Sie würde bestimmt keinen Schlumpf aus mir machen oder irgendwas anderes, bei dem ich mich nicht wohl fühlen würde.

Sie will, dass ich mir sicher bin und fragt mich einige Male und jedes Mal stimme ich ihr zu. Sie darf alles machen. Schneiden, färben, was auch immer, Hauptsache ich sehe anschließend nicht lächerlich aus.

Nach dem Frühstück schleift sie mich direkt in den Salon. Sie hat dort sogar einen Schlüssel. Wieso beeindruckt mich das? Naja, bevor ich es mir doch anders überlege und einen Rückzieher mache, bearbeitet sie mich schon. Sie vergewissert sich ein letztes Mal und ich gebe ihr das Go.

Sie zückt direkt die Schere, schneidet mir den Pferdeschwanz ab und greift zu einen Langhaarschneider! Oh Gott! Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich bin total aufgeregt. Ich hatte noch nie kurze Haare! Der kürzeste Schnitt war ein kinnlanger Bob und da war ich 15 Jahre alt!
Trotzdem, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Sie kürzt mir das Haar im Nacken auf 3 mm, das Haar wird ab dem Ohr etwas dichter und mein Pony reicht mir jetzt bis zum Kinn, während es sich im Nacken wirklich völlig nackt anfühlt! Jetzt rührt sie auch noch eine blaue Paste an! Moment, ist das Haarbleiche?! Ich entscheide mich dazu jetzt die Augen zu schließen, bis alles vorbei ist, sonst bekomme ich noch einen Herzinfarkt!

Ihr Werk ist nach einer gefühlten Ewigkeit vollbracht. Sie hat mir noch die Haare Geföhnt und mich etwas geschminkt. Ich blicke zum ersten Mal in den Spiegel und erkenne mich fast nicht! Ich sehe fast aus wie die Sängerin Pink! Ich muss zweimal hinsehen, ein drittes Mal! Ich betrachte alle Seiten, das Make-up. Alles. Ich kann nicht anders als zu schmunzeln!

„ACH DU SCHEISSE! DAS IST SOOOO COOL!“, höre ich mich schreien und starre meine Cousine ungläubig an. Sie hat praktisch einen neuen Menschen aus mir gemacht! Eine viel genialere Version! Ich sehe frech und lebendig aus! Niemand würde auch nur erahnen können, dass ich mir vergangene Nacht die Augen ausgeheult, mir die Seele aus dem Leib gekotzt und an mir gezweifelt habe!!!

Ich stehe auf und umarme sie stürmisch. Ich knutsche ihre Wange zum Dank mit vielen kleinen zackigen Küssen. Bevor wir gehen, bin ich damit beschäftigt weiter mein Spiegelbild zu bewundern! Ich bin Momo 2.0!!! Die Bessere und schönere Version meinerselbst!

Ab jetzt wird es bergauf gehen! Das spüre ich!

Biggi schlägt vor, dass wir irgendwo Mittagessen gehen, damit ich meinen neuen Look der Öffentlichkeit präsentieren kann! Sofort stimme ich zu und wir schlendern durch die Innenstadt.

Ich muss die ganze Zeit grinsen, weil ich so begeistert von meiner tollen Frisur bin. Offensichtlich steckt diese Laune an, denn ich werde doch tatsächlich von mir völlig fremden Leuten angelächelt oder erhalte ein freundliches Nicken! Bilde ich mir das ein?! Das ist so toll!

Wir gehen beim Japaner Nudelsuppe essen. Unser Platz ist direkt an der Theke, die um die offene Küche herum gebaut ist. Allerdings hinter Glas. Das hat echt was von Terrarium und wir können den Menschen darin bei ihrer Arbeit zusehen. Total faszinierend! Einer der Köche sieht dauernd zu mir hoch. Oh Mann.. langsam wird mir die ganze Aufmerksamkeit peinlich! Vor allem, weil ich völlig unfähig bin, diese Nudeln zu schlürfen! Da will man mal was richtig machen und verteilt die halbe Brühe über den Tisch, weil die Nudeln sich wehren, in meinen Mund gesogen zu werden und nur aufgeregt hin und her zittern!

Naja, egal, ich hatte ja ohnehin nicht die Absicht jetzt auf Männer umzuschwenken! Auch wenn meine Eltern das sicher begrüßen würden.

Während ich noch peinlich berührt bin, weil ich es nicht vermag Ramen richtig zu essen, scheint Biggi den Koch anzuflirten.

„Der sieht die ganze Zeit zu uns rüber!“, kommentiert sie das auch noch.
„Vielleicht warten wir, bis er Feierabend hat und nehmen ihn mit! Dann können wir prüfen, ob die Gerüchte über ihre Pimmel stimmen!“

Das war mit Abstand das schlimmste Timing, in dem so ein Satz hätte fallen dürfen! Ich hatte gerade den tollen Kräutertee angesetzt, lasse den herrlichen Geschmack in meinem Mund entfalten und dann das! Vor Überraschung verwandelt sich mein Mund zum Zerstäuber, sprüht das Heissgetränk über Meine Suppe und an die Plexiglas-Scheibe, die zwischen uns und der Küche befestigt ist.

Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich im Endboden versinken will.

Nachdem eine Angestellte angeeilt kommt um das weg zu wischen esse ich weiter, verzichte aber auf das Geschlürfe und will hier nur noch weg.

Biggi hat es auch endlich geschafft ihr schallendes Gelächter abzuschalten, sie kichert jetzt auch nicht mehr und unterlässt es auf meine Bitte auch, den Koch weiter anzuflirten.

Wir können hier endlich raus und ich zwicke sie. Sie kreischt auf, sieht mich empört an und lacht dann, weil sie genau weiss, wofür das ist.

Sie legt ihren Arm um meine Schultern.

„Komm, jetzt holen wir uns noch ein Dessert!“

„Aber bitte keinen Asiaten“, gebe ich beschämt von mir.

Biggi lacht wieder und schlägt mir eine Asiatin vor, worüber ich jetzt kichern muss.

„Schon eher!“, höre ich mich sagen.

Natürlich haben wir uns aber nur ein Eis geholt und spazieren wieder nach Hause. Meine Laune hat sich zwischenzeitlich auch wieder gebessert und ich erfreue mich wieder meiner tollen Frisur. An fast jedem Schaufenster bleibe ich stehen, tue zwar so, als würde ich mir die Dinge dahinter ansehen, mustere aber mich.

Der Tag nimmt auch irgendwann sein Ende und ich muss am nächsten morgen wieder um 10 Uhr im Computerspiele-Laden sein. Am Morgen schaffe ich es sogar meine Haare zu stylen.
Die werden dann auch direkt komplementiert als meine Kollegin Bunny mich sieht.

Um genau zu sein, kenne ich ihren eigentlichen Namen nicht, aber selbst auf ihrem Namensschild steht Bunny. Sie ist ein bekennender Sailor Moon Fan. Ich denke auch, dass sie älter ist als ich, aber sie kommt gern hier her zur Arbeit und berät die Kunden immer mit ihrer gleichbleibenden Fröhlichkeit. Leider riecht sie nicht besonders gut. Morgens geht das noch aber das hat sich bis zum Nachmittag immer völlig verflüchtigt. Allerdings kann ich das nicht ansprechen, weil ich ihre Gefühle nicht verletzten möchte.

Ich bin gerade dabei ein paar X-Box Spiele mit neuen Preisen zu etikettieren, da stackst jemand herein und erkundigt sich bei Bunny nach einer Konsole. Ich sehe aus dem Augenwinkel diese langen Beine und schrecke innerlich auf. Ich riskiere einen direkten Blick und erkenne sie wieder! Das ist die Tentakel-Tussi, die ihre Zunge in Sandras Rachen geschoben hat! Ugh! Ich fühle, wie mein Herz zu rasen beginnt. Am Liebsten würde ich ihr entgegen springen und sie fragen, was sie sich eigentlich dabei denkt. Allerdings komme ich nicht umher zu hören, was sie mit meiner Kollegin bespricht.

„Ja, es soll ein Geschenk werden. Aber ich will jetzt nicht so unendlich viel Geld ausgeben. Eine X-Box wäre aber schon total cool. Meine Flamme steht wohl total auf sowas und hat bald Geburtstag!“

Der wievielte war heute? Ja, stimmt. Sandra hatte in 12 Tagen Geburtstag. Das kann nur für sie sein! Aber seit wann interessiert sie sich für Computerspiele? Das war doch bestimmt wieder eine ihrer Phasen!

Während ich darüber nachdenke bringt Bunny Frau Tentakel doch direkt mit in den Gang, in dem ich gerade stehe um diese blöden Spiele umzulabeln.

Jetzt habe ich sie genau vor mir! Diese PERSON! Wie gross ist die Bitteschön? 1,80m?!

„Momo, wir kommen nicht an die X-Box!“, erklärt Bunny und ich nicke nur und gehe schnell zur Seite.

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